Priesterbruderschaft Pius X. distanziert sich von Bischof Williamson

"Wir bitten den Papst um Vergebung"

Die Wiederaufnahme von vier Traditionalisten-Bischöfen in die katholische Kirche belastet das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Judentum. Jüdische Vertreter kündigten an, den Dialog vorerst nicht fortsetzen zu können. Auch Bischofskonferenzen in Europa verurteilen den britischen Bischof Richard Williamson. Die Leitung der Priesterbruderschaft Pius X. hat sich inzwischen von ihm und seinen Holocaust-Äußerungen distanziert.

 (DR)

Die Leitung der traditionalistischen Priesterbruderschaft Pius X. distanzierte sich am Abend von den Äußerungen Williamsons und entschuldigte sich beim Papst und "allen Menschen guten Willens". Der Generalsuperior der Pius-Bruderschaft, Bernard Fellay, teilte mit, er habe dem Bischof bis auf weiteres jede öffentliche Stellungnahme zu politischen oder historischen Fragen untersagt.

Fellay erklärte, Williamson habe mit seinen Äußerungen sein kirchliches Mandat entschieden übertreten und seine Gemeinschaft diskreditiert. "Wir bitten den Papst und alle Menschen guten Willens um Vergebung für die dramatischen Auswirkungen dieses Vorgangs", heißt es in einem im Vatikan bekanntgewordenen Schreiben. "Mit Traurigkeit müssen wir feststellen, dass sie direkt unsere Bruderschaft getroffen und ihre Mission diskreditiert haben." Die Behauptungen von Williamson in dem TV-Interview gäben in keiner Weise die Position der Bruderschaft wieder.

Auch der deutsche Distriktobere der Priesterbruderschaft, Franz Schmidberger, hat sich erschüttert über Aussagen Williamson. Die Verharmlosung der Judenmorde des NS-Regimes und dessen Greueltaten seien für die Priesterbruderschaft inakzeptabel, erklärte Schmidberger am Mittwoch in Stuttgart. Eine Distanzierung sei schon deshalb «selbstverständlich», weil der Vater von Erzbischof Marcel Lefebvre, des Begründers der Priesterbruderschaft, «selbst in einem KZ umgekommen ist und auch viele katholische Priester in Hitlers Straflagern ihr Leben ließen».

Auf Anfrage präzisierte Schmidberger auch eigene Einschätzungen über Juden. Die Aussage, die heutigen Juden trügen die Schuld ihrer Väter, müsse «auf jene Juden eingeschränkt werden, welche die Tötung Jesu Christi gutheißen». Zugleich betonte Schmidberger, auch für «die heutigen Juden ist der fleischgewordene Gott, Jesus Christus, der Erlöser und einzige Weg zum Heil». Es gebe für Juden «keinen separaten Heilsweg». Da Jesus, Maria und alle Apostel Juden gewesen seien, könne allerdings «kein aufrechter Christ Antisemit sein».

Bistum Regensburg: Hausverbot für Williamson
Unterdessen teilte das Bistum Regensburg mit, Williamson habe in der Diözese Hausverbot. Bischof Gerhard Ludwig Müller bekundete im Bayerischen Rundfunk die Erwartung, dass der Traditionalistenbischof sich von seinen «zutiefst menschenverachtenden» Äußerungen distanziere und sein Amt nicht mehr ausübe. Williamson hatte den Holocaust in einem Interview geleugnet, das in zum Landkreis Regensburg gehörenden Zaitzkofen aufgezeichnet wurde. Deshalb wird gegen ihn wegen Volksverhetzung ermittelt.

Zur Aufhebung der Exkommunikation von Williamson und drei weiteren Traditionalisten-Bischöfen durch Benedikt XVI. sagte Müller, der Papst habe damit «einer randständigen Gruppierung beide Hände gereicht». Drei der vier Bischöfe hätten sich dankbar gezeigt. Williamson aber habe mit seinen Äußerungen dem Papst «ins Gesicht geschlagen». In einem Brief an den Vatikan bat Müller nach eigenen Angaben um Klärung der kirchenrechtlichen Verfassung der Piusbruderschaft und ihres Priesterseminars in Zaitzkofen. Auch der künftige Bischof von Münster, Felix Genn, bezeichnete eine Leugnung des Holocaust als inakzeptabel. Wer diese «schreckliche Last unseres Volkes leugnet, richtet sich gegen die Menschlichkeit und gegen jede Schwester und jeden Bruder aus dem jüdischen Volk», sagte er in Düsseldorf.

Israel erwartet Klarstellung
Die Debatte  belastet nunmehr auch die Beziehungen von Israel zum Vatikan. Israels Botschafter beim Heiligen Stuhl, Mordechay Lewy, forderte am Mittwoch vom Vatikan, sich von Williamson zu distanzieren. «Wir erwarten von höchster Seite des Heiligen Stuhls eine Klärung», betonte Lewy der Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera» vom Mittwoch zufolge. Der Vatikan müsse klar stellen, ob die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils über Religionsfreiheit und die Öffnung für den Dialog mit den Juden für Katholiken bindend seien, forderte Lewy. Ohne eine klare Distanzierung seitens des Papstes drohe die Leugnung des Holocausts innerhalb der katholischen Kirche akzeptabel zu werden, warnte der Diplomat.

Israelische Zeitungen hatten ein «dreimonatiges Moratorium» für die Kontakte der jüdischen Gemeinschaft zum Vatikan empfohlen. Für diesen Zeitraum sollte die Regierung in Tel Aviv den Botschafter beim Heiligen Stuhl zurückbeordern.  

Knobloch: Gespräch mit katholischer Kirche nicht fortsetzen
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte auf "N24", für sie als Holocaust-Überlebende sei das Gespräch mit der katholischen Kirche momentan nicht fortzusetzen.  Nun müsse der Vatikan in erster Linie "überlegen, inwieweit man die nach 1945 mühsam errichteten Verbindungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum fortführen" wolle. Was sie in letzter Zeit aus dem Vatikan vernommen habe, entsetze sie.

Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschlands (ORD) nannte die Aufnahme Williamsons einen "untragbaren" Schritt. Ein Dialog mit Vertretern des Vatikan sei derzeit nicht möglich, erklärte ORD-Vorstandsbeirat Julian-Chaim Soussan in Berlin. Er habe von einem Papst deutscher Herkunft eher erwartet, dass er Schoah-Leugner ausschließe, nicht aber rehabilitiere.

Zentralrats-Vizepräsident Salomon Korn sprach in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von einem "klaren Affront" gegen die jüdische Gemeinschaft. Zugleich lobte er die Reaktionen aus der Deutschen Bischofskonferenz. Diese hatte sich von Williamson distanziert und an die vier Bischöfe der Priesterbruderschaft Pius X. appelliert, sich "unmissverständlich und glaubwürdig" zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) mit seiner Absage an jeden Antisemitismus zu bekennen.

Auch Bischofskonferenzen in Europa verurteilten die Behauptungen Williamsons. Kritik kam vor allem aus Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz.

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