Kölner Synagoge erhält Tora zurück - Ansprachen nachhören und -lesen

"Wären doch nur mehr so mutig gewesen"

69 Jahre nach dem Novemberpogrom von 1938 hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner der jüdischen Gemeinde der Domstadt eine damals stark beschädigte Tora-Rolle restauriert zurückgegeben. Mit bewegenden Ansprachen gedachten u.a. die beiden Oberrabbiner von Israel, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers der Ereignisse. Für alle Ansprachen klicken Sie auf

 (DR)

Rabbiner Netanel Teitelbaum nahm sie am Freitag in der Kölner Synagoge bei der Gedenkfeier zur sogenannten Reichskristallnacht entgegen. Damit schließe sich eine Wunde im Herzen der jüdischen Gemeinde, sagte der Rabbiner.

Das Erzbistum Köln hatte die rund 12.000 Euro Kosten der Restaurierung übernommen, weil die Synagogen-Gemeinde sie nicht aufbringen konnte. Die geschmückte Rolle wurde in das Gotteshaus getragen und unter Psalmengesängen in den Thora-Schrank gebracht. Aus ihr wird der Gemeinde mehrmals in der Woche vorgelesen.

Zuvor war die 1902 gefertigte Schrift, die die ersten fünf Bücher der Bibel enthält, in Jerusalem restauriert worden. Sie stammt ursprünglich aus der Synagoge in der Glockengasse, die 1938 zerstört wurde. Der katholische Priester Gustav Meinertz hatte sie während des Pogroms aus dem brennenden Gebäude gerettet, versteckt und der Gemeinde nach dem Krieg übergeben, die damals noch 50 Mitglieder zählte.

Meisner: Meilenstein auf dem Weg der Verbundenheit
Meisner bezeichnete die Übergabe als Meilenstein auf dem Weg der Verbundenheit zwischen katholischer Kirche und jüdischer Gemeinschaft. Die Kirche bezeuge großen Respekt vor dem Umgang der Juden mit der Thora. Er freue sich darüber, dass Christen und Juden zunehmend gemeinsam ihre Stimme erhöben, wenn Menschen und ihr Heiligstes verächtlich gemacht würden. Er schlug regelmäßige Treffen zwischen dem Kölner Rabbiner und dem Erzbischof vor.

Die Präsidentin des Zentalrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sprach von einer "großen Geste". Sie zeige, dass die Kirche ihren Brückenschlag zum Judentum ernst meine. Die Thora-Rolle weise darauf hin, dass es Hitler nicht gelungen sei, die Juden und den Jahrtausende alten Glauben des jüdischen Volkes zu vernichten.

Oberrabbiner: Kampf gegen Antisemitismus stellen
Die beiden israelischen Oberrabbiner Schlomo Moshe Amar und Yona Metzger appellierten an die Deutschen, sich aus historischer Verantwortung an die Spitze des Kampfs gegen Antisemitismus zu stellen. Das gelte auch, wenn die Existenz Israels durch den Iran bedroht werde.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, die Unterstützung des Staates Israel gehöre zum Selbstverständnis der Bundesrepublik. Deutschland werde den Antisemitismus im Inneren mit "der ganzen Schärfe des Gesetzes"
bekämpfen. Zu Meinertz sagte der Ministerpräsident, er habe aus seinem eigenen Glauben heraus Respekt für die Überzeugungen der anderen entwickelt und großen Mut und Zivilcourage bewiesen.

Wegen der starken Beschädigung konnte die Schriftenrolle lange nicht im Gottesdienst benutzt werden. Sie wurde nur bei Synagogen-Führungen gezeigt. Die Idee zur Unterstützung der Restaurierung durch das Erzbistum war nach dem Weltjugendtag 2005 entstanden. Papst Benedikt XVI. hatte damals die Synagoge besucht. Die Synagogen-Gemeinde hat heute durch den Zuzug von Juden aus Osteuropa rund 5.000 Mitglieder. Vor 1933 gehörten zu ihr rund 18.000 Juden.