Vor 100 Jahren wurde Emilie Schindler geboren

Die Mutter Courage der "Schindler-Juden"

Sie war schon über 80, als sie anfing, ein wenig aus dem Schatten ihres Mannes zu treten: Emilie Schindler, die gemeinsam mit dem Unternehmer Oskar Schindler über 1.200 jüdische Menschen vor dem Tod bewahrte. Vor 100 Jahren, am 21. Oktober 1907, wurde Emilie in Alt-Moletein im heutigen Tschechien geboren, begraben ist sie im oberbayerischen Waldkraiburg. Dort fand am Sonntag eine Gedenkfeier statt.

Autor/in:
Markus Springer
 (DR)

In dem 1993 gedrehten Film "Schindlers Liste" 1993 war am Ende auch sie zu sehen: gebrechlich führt Emilie Schindler die überlebenden "Schindler-Juden" an, die auf dem Jerusalemer Franziskaner-Friedhof Steine auf das Grab Oskar Schindlers legen.
Eine Heldin im Schatten
Emilie wächst in einer streng katholischen Bauernfamilie auf. Im März 1928 heiratet sie den Unternehmer Oskar Schindler, der zeit seines Lebens eine schillernde Figur war: Schindler hat Affären, ist ein Lebemann, lässt sich vom deutschen Geheimdienst anwerben und wird zum Lebensretter. "Mily", so nennt sie Oskar Schindler, bringt 100.000 Kronen Mitgift in die Ehe mit - keine kleine Summe damals. Der Ehemann kauft sich ein luxuriöses Auto davon und verplempert den Rest.

Im Oktober 1939 erwirbt Schindler im polnischen Krakau eine bankrotte Emaillewarenfabrik und stellt Geschirr für die deutschen Truppen her. Die Fabrik wächst rasant und beschäftigt immer mehr jüdische Zwangsarbeiter. Wie sich der gerissene Unternehmer Oskar Schindler in den Beschützer "seiner" Juden verwandelte - bei dieser Geschichte scheint Emilie Schindler eine bedeutende Rolle gespielt zu haben. Eine größere jedenfalls, als sie der Film "Schindlers Liste" erzählt.

"Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt"
Immer wieder haben die überlebenden "Schindler-Juden" darauf hingewiesen, wie unermüdlich sich Emilie Schindler, die Frau des "Direktors", um ihr Überleben kümmerte, Nahrung, Kleidung, Medizin organisierte. Als das Krakauer Lager aufgelöst werden soll, ist sie es, die es schafft, vom Brünnlitzer Kreisleiter die Genehmigung für den "kriegswichtigen" Rüstungsbetrieb samt Zwangsarbeiterlager zu bekommen. Erst jetzt kann jene "Liste" geschrieben werden, die die Krakauer Schindler-Juden vor dem Tod in Auschwitz rettete.

Eine ungewisse Zukunft
Am 9. Mai 1945 beginnt für Oskar und Emilie die Odyssee einer Flucht, die sie am Ende nach Regensburg führt. Dort erlebt Emilie eine Fehlgeburt mit Notoperation und erfährt, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann. In Regensburg sei etwas in ihr zerbrochen, erinnerte sich Emilie Schindler: "Ich zog mich in mich selbst zurück und wurde nach außen hin zu einer harten, unempfindlichen, distanzierten Person."
1949 wandern die Schindlers nach Argentinien aus. Die unternehmerischen Bemühungen Oskar Schindlers erweisen sich als Fehlschläge. 1957 geht er nach Deutschland zurück und stirbt am 9. Oktober 1974 nach weiteren Pleiten mittellos in Frankfurt am Main. Emilie erfuhr vom Tod ihres Mannes Wochen später.

"Ihre Stimme zu spät gehört"
Erst 1964 macht Peter Gorlinsky, Chefredakteur des deutschsprachigen "Argentinischen Tagblatts" und selbst Jude, die jüdische Gemeinde in Buenos Aires darauf aufmerksam, in welch bescheidenen Verhältnissen die "Mutter Courage" von Krakau und Brünnlitz lebte. Die jüdische Gemeinde verschaffte Emilie Schindler eine kleine Pension, die jüdische Hilfsorganisation B'nai B'rith ("Söhne des Bundes") sorgte für ein lebenslanges Wohnrecht in einem kleinen Häuschen in San Vincente, 50 Kilometer südlich von Buenos Aires.
Ganz am Ende ihres Lebens wollte Emilie Schindler nach Deutschland. Das von Sudetendeutschen gebaute und bewohnte Adalbert-Stifter-Wohnheim im oberbayerischen Waldkraiburg hatte ihr einen Platz angeboten. Wenig später erlitt die 93-Jährige jedoch einen Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr erholte.

Die "Mutter Courage" der Schindler-Juden starb am 5. Oktober 2001 in Strausberg bei Berlin. Am 19. Oktober wurde sie auf dem Waldkraiburger Waldfriedhof begraben. Charlotte Knobloch, damals Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte in ihrer Grabrede: "Wir haben Emilie Schindlers Stimme zu spät gehört." Auf ihrem Grabstein steht: "Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt."