Tiefensee warnt vor Verharmlosung der Hetzjagd - Zentralrat der Juden fordert Rücktritt

Mügelner Bürgermeister ist "stolz, ein Deutscher zu sein"

Zwei Wochen nach den gewalttätigen Ausschreitungen in der sächsischen Stadt Mügeln gerät Bürgermeister Gotthard Deuse ins Kreuzfeuer der Kritik. In der wegen ihrer extrem rechten Ausrichtung umstrittenen Wochenzeitung "Junge Freiheit" verglich der FDP-Kommunalpolitiker am Donnerstag Mügeln mit Sebnitz und betonte, er sei stolz darauf, ein Deutscher zu sein. SPD- und Grünen-Politiker und Zentralrat der Juden forderten daraufhin seinen Rücktritt.

 (DR)

"Wegschauen und Kleinreden sind genau der falsche Weg"
Nach den Äußerungen des Bürgermeisters von Mügeln hat Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) vor einer Verharmlosung der Vorfälle gewarnt.

"Wegschauen und Kleinreden sind genau der falsche Weg", sagte Tiefensee der "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). Nach den gewaltsamen Übergriffen in Mügeln dürfe man nicht zur Tagesordnung übergehen, mahnte der für den Aufbau-Ost zuständige Minister. "Bürger und Vereine müssen Tag für Tag couragiert gegen rechtsradikale Tendenzen vorgehen." Bürgermeister Deuse hatte sich "enttäuscht" über Tiefensees Reaktion auf den Vorfall in Mügeln geäußert. Tiefensee wies darauf hin, dass Rechtsradikalismus im Osten Deutschlands stärker verbreitet sei als im Westen. "Es fehlt der historische Umgang mit Einwanderung und kultureller Vielfalt." Auch der schwierige Arbeitsmarkt spiele eine Rolle bei der Radikalisierung. "Das rechtfertigt allerdings keine Drohungen und Gewaltakte gegen Ausländer oder sonst wen", betonte der SPD-Politiker. Rechtsextreme Gruppen suchten "mit tatkräftiger Unterstützung durch westdeutsche Neonazis" gezielt Landstriche im Osten, um sie für sich zu erobern.

Deuse: Urteilen, ohne die Fakten zu kennen
Deuse hatte zunächst in dem Wochenblatt "die Vorverurteilung" seiner Stadt durch Medien und Politik beklagt: "Urteilen, ohne die Fakten zu kennen! Diese Definition passt auch auf Mügeln, insofern sehe ich Mügeln in der Tat als neues Sebnitz." Die sächsische Stadt war im November 2000 in die Schlagzeilen geraten, als die "Bild"-Zeitung auf der Titelseite berichtete, dass der sechsjährige Joseph Abdullah in einem Freibad von Rechtsradikalen ertränkt worden sei. Später stellte sich heraus, dass der Junge einem Badeunfall zum Opfer gefallen war.

Deuse betonte, die Medien stellten den Fall falsch dar und stürzten sich im "Sommerloch" auf alles, was sich biete. Zu den Ursachen der Ausschreitungen sagte Deuse den Angaben zufolge: "Ich sage klipp und klar: Rechtsextremismus schließe ich aus." Er beklagte zudem, dass die Deutschen ihren Nationalstolz nicht zeigen dürften und betonte: "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein."

Hochrangigen Politikern warf er vor, sie hätten mit "giftigen Parolen" gegen Mügeln ihren Teil beigetragen. So sei Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye entweder uninformiert oder "entschieden böswillig" und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "steht eben auch unter Druck". Von dem für den Aufbau Ost zuständigen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) "bin ich enttäuscht".

FDP distanziert sich
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel distanzierte sich von den Äußerungen seines Parteifreundes. Bürgermeister Deuse sei selbst dafür verantwortlich, was er wem sage, sagte er und betonte zugleich: "Für die FDP sage ich: Es darf keinerlei Relativierung von Gewalttaten und ausländerfeindlicher Gesinnung geben. Für alle Demokraten gehört das zu den Grundsätzen einer weltoffenen und toleranten Gesellschaft." Der niedersächsische FDP-Fraktionschef Philipp Rösler geht davon aus, dass der Fall am Montag im FDP-Präsidium zur Sprache kommt.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), legte Deuse den Rücktritt nahe: "Herr Deuse sollte sich fragen, ob er sein Amt weiter ausüben kann. Ich habe da meine Zweifel." Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Der Bürgermeister von Mügeln muss weg." Grünen-Chefin Claudia Roth hob hervor, die Äußerungen des Bürgermeisters belegten, wie falsch die Entscheidung von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) gewesen sei, das Antragsrecht für Mittel gegen Rechtsextremismus den Projektträgern selbst zu nehmen und dieses auf die Kommunen zu übertragen.

Bürgermeister Deuse relativierte später seine Aussagen. Der Satz, er sei stolz, ein Deutscher zu sein, dürfe für sich allein nicht stehen bleiben. Er habe die Aussage in einem größeren Zusammenhang gemacht. So sei bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr sei deutlich geworden, dass es auch ein anderes Deutschland gebe. Deuse betonte: "Ich habe es langsam satt, in die rechte Ecke gestellt zu werden." Auch zu seinen Vergleichen zwischen Mügeln und Sebnitz ging Deuse auf Distanz. Er sehe "jetzt doch Unterschiede zwischen dem Fall Sebnitz und Mügeln", sagte er mit Blick auf die verletzten Inder und die ausländerfeindlichen Parolen.

"Deuse ist in seinem tiefsten Herzen doch ausländerfeindlich"
Der Vize-Fraktionschef der Linken im Bundestag, Bodo Ramelow, sagte, bei ihm verfestige sich der Eindruck, "dass der Bürgermeister in seinem tiefsten Herzen doch ausländerfeindlich ist". Ramelow hatte Deuse nach den Vorfällen in Mügeln vor eineinhalb Wochen zunächst in Schutz genommen. Er warf dem FDP-Kommunalpolitiker vor, dem Osten einen "Bärendienst" zu erweisen, weil es alle in der Diskussion nach den ausländerfeindlichen Zwischenfällen hochgekommenen Vorurteile bestätige.

Bei den Ausschreitungen in der Nacht zum 19. August hatten rund 50 Deutsche auf dem Stadtfest in Mügeln eine Gruppe von acht Indern angegriffen und verfolgt. Die Staatsanwaltschaft kann den exakten Tatverlauf aufgrund konträrer Zeugenangaben noch nicht nachzeichnen.