Nuntius verweigert Teilnahme an Holocaustgedenkfeier - Streit um Darstellung Pius XII.

Missstimmung zwischen Vatikan und Israel

Der apostolische Nuntius in Israel, Monseigneur Antonio Franco, bestätigte gegenüber KNA, dass er in der kommenden Woche nicht an der jährlichen Gedenkfeier aus Anlass des "Tages der Schoah und des Heldentums" in Jad Vaschem teilnehmen werde. Er wolle so seinem "Unwohlsein über die historisch falsche Darstellung Pius XII. (im Museum der Jerusalemer Gedenkstätte Jad Vaschem) Ausdruck zu verleihen." Die moderne Geschichtsschreibung habe bewiesen, wie sehr sich Papst und Kirche damals für Juden eingesetzt hätten.

 (DR)

Er wolle keine Polemik, sondern durch seine Geste die Aufmerksamkeit auf den Punkt lenken, so der Nuntius. Als Vertreter des Papstes sei ihm einfach nicht wohl, unter diesen Umständen den Papst bei der Gedenkveranstaltung zu vertreten. Er sei absolut nicht gegen das Gedenken der Shoah. Übrigens hatte schon sein Vorgänger Sambi einen Protestbrief an Jad Vaschem geschrieben. Während der Gedenkveranstaltung im vergangenen Jahr war der aber schon nicht mehr im Land. Jad Vaschem habe ihm versprochen, die Sache noch mal in Augenschein zu nehmen. „Aber nichts ist passiert", so Fanco zur KNA.

Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Jariv Ovadja, hatte eine vorbereitete Reaktion parat: „Die Zeremonie in Jad Vaschem dient dazu, das Gedenken der Opfer der Schoah zu begehen, dem traumatischten Ereignis in der Geschichte des jüdischen Volkes und einem der traumatischten Ereignisse der Menschheitsgeschichte. Was die Beteiligung an der Zeremonie angeht, so sollte jeder gemäß seinem Gewissen handeln."

Die Sprecherin von Jad Vaschem, Iris Rosenberg, hatte eine schriftliche Pressemitteilung auf Hebräisch vorbereitet. "Jad Vaschem nimmt mit Erstaunen und Bedauern den Beschluss des Vatikan-Vertreters in Israel, nicht das Gedenken an die Schoah zu ehren und nicht an der Staatszeremonie teilzunehmen, bei der der Staat Israel und das jüdische Volk die Erinnerung an die Opfer begehen. Dies steht im Widerspruch zu den Worten des Papstes während seines Besuches in Jad Vaschem zur Wichtigkeit des Erinnerns an die Schoah und ihrer Opfer."

Weiter heißt es in der Pressemitteilung, dass im Museum der Gedenkstätte "die historische Wahrheit über Papst Pius XII dargestellt wird, wie sie heute den Forschern bekannt ist." Jad Vaschem habe dem Vertreter des Vatikans in Israel geantwortet und erklärt, die Angelegenheit "weiter prüfen zu wollen". Im Brief an den Nuntius habe Jad Vaschem geschrieben, dass die Gedenkstätte "sich freuen würde", wenn der Vatikan alle Dokumente in seinem Archiv über die Periode des Papstes Pius XII für Geschichtsforscher zugänglich machen würde. So solle den Forschern die Möglichkeit geboten werden, "andere Dinge" zu erfahren, als was heute bekannt sei. Für die Gedenkbehörde sei es "unausdenkbar", diplomatische Druckmittel bei einer Frage der Geschichtsforschung einzusetzen.

Gedenktafel in Jad Vaschem: Deutliche Kritik an Pius XII.
Im Museum der Gedenkstätte hängt eine Tafel, auf der die Reaktion von Papst Pius XII auf die Ermordung der Juden während des Holocaust als "kontrovers" bezeichnet wird. 1933 sei er als Sekretär des Vatikanstaats aktiv, mit dem "deutschen Regime" ein Konkordat zu erlangen, um die Rechte der Kirche in Deutschland zu bewahren, "obgleich das einer Anerkennung des rassistischen Regime der Nazis gleichkam". Nach seiner Wahl zum Papst 1939 habe er einen schon von seinem Vorgänger vorbereiteten Brief gegen Rassismus und Antisemitismus zurückgezogen. Auch nachdem Nachrichten über Morde an Juden den Vatikan erreicht hatten, habe der Papst weder verbal noch schriftlich dagegen protestiert. Im Dezember 1942 - so die der Text der Tafel im Museum - habe sich der Papst geweigert, eine Deklaration der Alliierten zu unterzeichnen, in der die Vernichtung der Juden verurteilt wurde. Er habe nicht eingegriffen, als Juden von Rom nach Auschwitz abtransportiert wurden. Der Papst habe seine "neutrale Position" während des ganzen Zweiten Weltkriegs bewahrt und erst gegen Kriegsende an die Herrscher von Ungarn und der Slowakei appelliert. Wegen seinem "Schweigen" und mangels "Richtlinien" hätten Kirchenleute in ganz Europa jeweils ihre Reaktion alleine entscheiden müssen.