Ausländerfeindliche Straftaten nehmen weiter zu - Zentralrat rügt Regierung

Nicht zu Gast bei Freunden

Die Zahl der rechtsextremen und ausländerfeindlich motivierten Straf- und Gewalttaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf den höchsten Stand seit sechs Jahren gestiegen. Dies geht aus den vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums für das Jahr 2006 hervor, wie ZEIT Online berichtet. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, hat der Bundesregierung vorgeworfen, sie stelle sich zu wenig dem Problem zunehmender rechter Kriminalität. Vor allem die zuständige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) tue nichts für ein gesamtgesellschaftliches Konzept gegen Rechtsextremismus.

 (DR)

Die Politik behindere zivilgesellschaftliche Initiativen mehr, als dass sie sie unterstütze. Das Bundesfamilienministerium wies den Vorwurf noch am Mittwoch zurück. Das Gegenteil sei richtig.

Die neuen Zahlen rechter Straftaten in Deutschland zeigten einen eindeutigen Trend nach oben, sagte Kramer dem "Tagesspiegel". "Ein 'Weiter so wie bisher' angesichts dieser Zahlen halte ich für extrem gefährlich." Als "sehr verdienstvoll" wertete er dagegen, dass Polizei und Justiz inzwischen sensibler mit dem Thema umgingen.

Das Bundesfamilienministerium verwies dagegen auf ein mit 19 Millionen Euro ausgestattetes Programm gegen Rechts, das erfolgreich auf den Weg gebracht worden sei. Im neuen Konzept "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" seien bewusst Länder, Kommunen und Zivilgesellschaft "vor Ort" stark eingebunden worden, um die Wirksamkeit zu verbessern, hieß es. Für den Aufbau von Beratungsnetzwerken und schnellen Kriseninterventionsteam habe der Bundestag weitere fünf Millionen Euro bewilligt.

Mädchen stehen Jungen nicht mehr nach - Polizei registriert  erschreckende Gewalt bei Teenagern - Fehlende Anerkennung als Grund
Früher haben Mädchen in brenzligen Situationen meist mit dem großen Bruder gedroht. "Heute wehren sie sich selbst und schlagen auch zu", sagen Ermittler, die sich mit der Jugendkriminalität in Deutschland befassen. Die zunehmende Gewalt junger Mädchen ist für die Polizei erschreckend.

Vor wenigen Tagen erst griff eine Bande in Bremen unvermittelt eine 14-Jährige an, die mit ihrem Freund aus einem Bus gestiegen war. Das Opfer erlitt einen Nasenbeinbruch, eine Platzwunde und mehrere Prellungen. In Frankfurt (Oder) brachen vor zwei Wochen zwei 14-Jährige einer zwei Jahre Jüngeren einen Finger, weil sie ihnen angeblich vier Euro schuldete. Das Opfer wurde zunächst bespuckt, geschlagen und geschubst. Während der Auseinandersetzung wurden die Täterinnen von ihrer Clique angefeuert.

Eine 16-Jährige wiederum muss sich derzeit in Würzburg vor Gericht verantworten, weil sie ein Mädchen gezwungen haben soll, von einer zwölf Meter hohen Brücke in den Main zu springen. Die Angeklagte soll ihr Opfer zunächst geschlagen und mit Kniestößen ins Gesicht die Nase gebrochen haben. Zudem wird ihr vorgeworfen, den Kopf des Mädchens in einem Brunnen mehrmals unter Wasser gedrückt zu haben.

"Das sind leider keine Einzelfälle mehr", sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg. "Die gängige Meinung, Mädchen prügeln sich nicht, ist längst widerlegt", betont er im ddp-Interview. Die Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) verzeichnet einen starken Anstieg der Gewaltkriminalität von Mädchen. Die Zahl der Tatverdächtigen stieg bei den 14- bis 18-Jährigen seit 1996 um 62 Prozent von knapp 4400 auf mehr als 7100. Bei den männlichen Jugendlichen dieser Altersgruppe gab es im vergangenen Jahrzehnt einen Zuwachs von 28 Prozent.

"Die weiblichen Teenager holen auf, auch wenn es noch weitaus weniger Taten sind", so die Erfahrungen der Kriminalisten. Männliche Jugendliche waren 1995 für 21 500 Gewalttaten verantwortlich, 2005 für rund 27 500. "Geschlechter-Stereotypen greifen nicht mehr", sagt Kirsten Bruhns von Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München. Auch Mädchen versuchten zunehmend, sich mit Gewalt durchzusetzen und so Anerkennung zu erhalten. "Doch oft bleibt es im Gegensatz zu Jungen bei Mobbing und psychischer Gewalt", schätzt die Wissenschaftlerin im ddp-Interview ein. Schwere Körperverletzungen seien hingegen nach wie vor gering. Es gebe aber die Tendenz, "nicht nur zu quatschen, sondern auch mal zuzuschlagen".

Die Polizei beobachtet zunehmend Mädchencliquen, die vor allem in Großstädten "Gebiete erobern und dann auch verteidigen". Diese Banden seien vor allem in sozialen Milieus anzutreffen, wo es meist keine Perspektiven gebe, sagte Freiberg. "Weder in Schule noch Job finden sie Erfolg. Schon im Elternhaus haben sie Gewalt erlebt, wurden nicht geachtet", erläutert er. In Gesprächen erfährt Soziologin Bruhns immer wieder, "dass die Mädchen erst auf der Straße Liebe, Zuneigung und Trost finden, den sie im Alltag zu Hause vermissen".

"Wer schon in seiner Familie als Verlierer aufwächst, nicht beachtet wird, neigt viel öfter zum Ausbrechen", sagt der Leiter der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, Rudolf Egg. Auf der Straße imitierten gewaltbereite Mädchen dabei oft männliches Verhalten. "Sie erobern sich auf der Straße ihre Freiräume - mit anscheinend immer mehr Erfolg", erläutert der Kriminologe. "Sie stehen hinter den Jungen nicht mehr zurück."