Präsidium will am Mittwoch Spiegel-Nachfolger wählen

Der Zentralrat der Juden steht vor einer Fülle von Aufgaben

Von Jutta Wagemann (epd)Das Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland hat an diesem Mittwoch ein schweres Amt zu vergeben: Ein Nachfolger für Paul Spiegel, der am 30. April starb, muss gefunden werden.Vermutlich wird es eine Nachfolgerin: Die 73-jährige bisherige Vizepräsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, hat gute Aussichten als erste Frau das Präsidentenamt zu übernehmen.Ein weiterer Kandidat ist der zweite bisherige Vizepräsident, Salomon Korn.

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Von Jutta Wagemann (epd)

Das Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland hat an diesem Mittwoch ein schweres Amt zu vergeben: Ein Nachfolger für Paul Spiegel, der am 30. April starb, muss gefunden werden.
Vermutlich wird es eine Nachfolgerin: Die 73-jährige bisherige Vizepräsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, hat gute Aussichten als erste Frau das Präsidentenamt zu übernehmen.

Ein weiterer Kandidat ist der zweite bisherige Vizepräsident, Salomon Korn. Der Frankfurter Architekt und Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main ist zehn Jahre jünger als Knobloch und fiel in der Vergangenheit durch seine Reflexionen über die «deutsch-jüdische Normalität» in der Öffentlichkeit auf. Schon der Vorgänger von Paul Spiegel, Ignatz Bubis, hatte Korn als seinen Nachfolger betrachtet. Korn scheute jedoch das Amt, das unter anderem bedeutet, permanent von Personenschützern umgeben zu sein. In der aktuellen Frage der Neubesetzung des Präsidentenpostens hielt sich Korn bis zum Schluss offen, ob er kandidiert.

Das Präsidentenamt ist schwierig, weil ihm in Deutschland wesentlich mehr Aufmerksamkeit zukommt als es die geringe Größe des Verbandes mit etwas mehr als 100.000 Mitgliedern eigentlich erwarten ließe. Der Präsident des Zentralrats der Juden ist immer auch moralische Instanz und gefragter Gesprächspartner, wenn es um Antisemitismus, Rechtsextremismus oder das Verhältnis zu Israel geht. Korn sprach bei der Trauerfeier für Spiegel von der «von nichtjüdischer Seite überdefinierten Rolle dieses Amtes».

Auch nach innen gibt es für die voraussichtlich neue Präsidentin viel zu tun. Die jüdischen Gemeinden sind seit 1990 durch die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion zwar schnell gewachsen, aber auch enormen Spannungen und finanziellen Belastungen ausgesetzt. Als politische Interessenvertretung der Gemeinden muss der Zentralrat sich weiterhin dafür einsetzen, Integrationsmittel über das Zuwanderungsgesetz zu erhalten.

Im Jahr 2008 steht überdies die Neuverhandlung des Staatsvertrags zwischen Bundesregierung und Zentralrat an. Der Vertrag, der zur Amtszeit von Spiegel abgeschlossen wurde, sichert dem Zentralrat jährlich eine Unterstützung von drei Millionen Euro zu. Diese Summe wird die Organisation gerne beibehalten wollen. Zugleich könnte dann erneut die Debatte über die Beteiligung der liberalen jüdischen Gemeinden ausbrechen, die nicht Mitglied im Zentralrat sind. Derzeit erhalten sie vom Zentralrat Geld aus dem Staatsvertrag.

Ende vergangenen Jahres hatte der konservativ-orthodox geprägte Zentralrat erstmals drei liberale Gemeinden aufgenommen. In der breiten Öffentlichkeit war überhaupt erst seit dem Streit um die Staatsvertragsmittel wahrgenommen worden, dass nicht alle jüdischen Gemeinden in Deutschland unter einem Dach vereint sind. Das Verhältnis zu den liberalen Juden zu klären, gehört zu den nicht ganz leichten Aufgaben, die auf die neue Spitze des Zentralrats warten.