Nikolaus Schneider - Erinnerungen an Kardinal Meisner

Vertrauensvolles Miteinander

Einen "Weggefährten" - so nennt der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider den verstorbenen Joachim Kardinal Meisner. Im Interview erzählt Schneider, was beide verband und wie sie mit Trennendem umgingen.

Ehepaar Schneider mit Kardinal Meisner / © Stefan Quilitz (DR)
Ehepaar Schneider mit Kardinal Meisner / © Stefan Quilitz ( DR )

domradio.de: Sie haben mal gesagt, in gewissem Sinne habe zwischen Ihnen und Kardinal Meisner ökumenisch gesehen eine "Liebe der Igel" geherrscht. Was heißt das?

Nikolaus Schneider (ehemaliger Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland): Wir wussten genau, wo die Grenzen dessen sind, was wir einander zumuten konnten. Aber wir wussten auch, dass wir als Leiter unserer Kirchen und auch grundsätzlich als Brüder Jesu Christi zusammengehören. Und wir haben uns darum bemüht, in der richtigen Weise zusammen ökumenisch Kirche zu leben.

domradio.de: Und wo waren die Grenzen des Zumutbaren?

Schneider: In manchen Fragen der kirchlichen Autorität, in Fragen, wo es vor allem um Lebensführung ging. Zum Beispiel in der Frage: Dürfen Frauen die Pille nehmen, also, wie ist das mit Verhütung? Wie gehen wir mit Menschen um, die abtreiben? Wie ist das mit der Schwangerschaftskonfliktberatung? Das waren alles Themen, bei denen Kardinal Meisner sehr klar und deutlich positioniert war. Seine Position war sozusagen vom Lehramt, von der Dogmatik her bestimmt. Ich habe dagegen eher von der Seelsorge her Akzente gesetzt. 

domradio.de: Nun sind wir hier im katholischen Köln, in einer der katholischsten Regionen des Landes. Meisner war damals Vertreter des Erzbistums Köln, Sie Vertreter der Evangelischen Kirche im Rheinland. Wie kann man sich da das Miteinander zwischen den beiden Kirchen vorstellen?

Schneider: Das ist auf der Ebene der Gemeinden wirklich freundschaftlich. Es kommt natürlich auch immer darauf an, wie die Pfarrer vor Ort in den katholischen und evangelischen Gemeinden miteinander können und ob sie ökumenisch engagiert sind oder nicht. Da haben wir ein ganz buntes Bild.

Auf der Ebene der Kirchenleitung zwischen Kardinal Meisner und mir etwa war völlig klar, dass wir, wo immer es geht, gemeinsam in der Öffentlichkeit auftreten. Wir haben unsere Zusammengehörigkeit als christliche Kirchen deutlich betont, ohne die Unterschiede zu verschweigen. Der persönliche Umgang war ausgesprochen freundlich, herzlich und vertrauensvoll. Es war übrigens auch so, dass wir uns im öffentlichen Umgang aufeinander verlassen konnten. 

domradio.de: Das heißt?

Schneider: Wir wussten genau, dass wir an unseren jeweiligen Stärken partizipieren und dass wir uns unsere Schwächen nicht gegenseitig öffentlich um die Ohren hauen. Übrigens, ich war nicht der Gegenpart von Meisner, sondern es war wirklich ein Miteinander.

domradio.de: Wie lief das denn hinter verschlossenen Türen, also, wie war das private Miteinander?

Schneider: Das war sehr zugetan. Kardinal Meisner war gegenüber meiner Familie auch in schweren Zeiten jemand, der sehr freundlich und sehr intensiv nachfragte und der auch Trost geben konnte. 

domradio.de: Wenn Sie jetzt zurückdenken an den Menschen Joachim Meisner - was wird Ihnen im Nachhinein im Kopf bleiben?

Schneider: Im Nachhinein im Kopf ist mir eine Persönlichkeit, die mit Ecken und Kanten in der Öffentlichkeit stand, die für mich manche Herausforderung bot, die auch schwierig sein konnte. Aber auch ein Mensch, der sehr verletzlich und sehr zugewandt war. Beten wir für ihn, dass er nun wirklich Ruhe und Frieden findet in Gottes Reich.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR