Islam-Experte erklärt muslimische Wallfahrt im Corona-Modus

"Das ist ein sehr großer Einschnitt"

Mehrere Millionen Muslime kommen jedes Jahr zur Wallfahrt nach Mekka, nur 60.000 sind es in diesem Jahr. Islam-Experte Thomas Lemmen erklärt, wie die Wallfahrt und das muslimische Opferfest unter Pandemiebedingungen ablaufen.

Hadsch in Saudi-Arabien: Muslimische Pilger umrunden die Kaaba / © NN (dpa)
Hadsch in Saudi-Arabien: Muslimische Pilger umrunden die Kaaba / © NN ( dpa )

DOMRADIO.DE: Mekka liegt in Saudi-Arabien und hat nicht nur die Zahl der Pilger jetzt strengstens reglementiert, sondern auch die Teilnahme an ganz bestimmte Bedingungen geknüpft. Welche sind das?

Prof. Thomas Lemmen (Theologe und Islamwissenschaftler): Das ist richtig. Es sind nur 60.000 Personen zugelassen. Sie müssen immunisiert und alle aus Saudi-Arabien sein. Es sind diesmal keine Pilgerinnen und Pilger aus dem Ausland zugelassen.

DOMRADIO.DE: Das heißt, sie müssen nachweisen, dass sie geimpft sind?

Lemmen: Dass sie geimpft sind oder aber die Krankheit überstanden haben. Das ist genau festgelegt.

DOMRADIO.DE: Ein paar zehntausend Pilger mit Masken also nun statt über zwei Millionen Menschen in Mekka. Wie verändert das diese wichtige Wallfahrt?

Lemmen: Das ist schon ein sehr, sehr großer Einschnitt. Ich habe mal nachgeschaut, 1798 war das letzte Mal, dass die Wallfahrt komplett abgesagt wurde, aus Gründen einer Pandemie. Und das letzte Jahr dann diese Einschränkungen, 10.000 Personen durften hin, dieses Mal 60 000. Das ist nur ein Bruchteil derjenigen, die sonst jedes Jahr dorthin fahren würden, wenn sie können.

DOMRADIO.DE: Wir erinnern uns daran, dass Menschen in Massen tot getrampelt worden sind. Vor ein paar Jahren war das mal der Fall beim Hadsch. Das ist ja dann in diesem Jahr nicht zu befürchten.

Lemmen: Nein, aber davon abgesehen hat man nach diesen Katastrophen große Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um solche Dinge zu verhindern. Man muss sich vorstellen, dass im 20. und 21. Jahrhundert die Zahl der Menschen, die die Wallfahrt jedes Jahr vollziehen wollen, sehr stark zugenommen hat, aufgrund der günstigen Verkehrsanbindungen. Dass 2,5 Millionen Menschen da sind, daran wäre früher nicht zu denken gewesen. Die Zahlen sind einfach gewaltig gewachsen und die Räumlichkeiten sind eben sehr begrenzt. Und da muss eben Vorsorge getroffen werden, dass dort alles mit so vielen Menschen ohne Gefahren ablaufen kann.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet der Hadsch im Leben eines gläubigen Muslims?

Lemmen: Man soll als Muslim, Mann oder Frau, einmal im Leben die Wallfahrt zu diesem Ort unternehmen, zur Kaaba, dem Ort, dem Zentrum. Wenn man betet, wendet man sich in Richtung der Kaaba. Wenn jemand ins Grab gelegt wird, wird er in Richtung der Kaaba gelegt. Und einmal im Leben soll man an diesen zentralen Ort gehen und dort die Riten der Wallfahrt vollziehen, so wie der Prophet sie selber gestiftet hat.

DOMRADIO.DE: Gibt es da irgendwelche Pilgerrichtlinien?

Lemmen: Vorgeschrieben ist, dass das zu einem bestimmten Zeitpunkt stattzufinden hat, nämlich im Pilgermonat. Man kann das ganze Jahr über hinfahren, aber dann ist es nicht die Erfüllung der Pflicht, sondern die Pflicht ist nur dann erfüllt, wenn man in einem bestimmten Zeitfenster vom Achten bis zum Zwölften dieses Monats des islamischen Kalenders die Pilgerfahrt vollzieht. Und das muss auch nach einem ganz festgelegten Ritual der Fall sein. Da sind die Abläufe ganz genau vorgelegt. Wie man jetzt da hinkommt, ob mit dem Flugzeug oder dem Schiff, das ist vollkommen egal.

DOMRADIO.DE: Während jetzt also in Mekka in diesem Jahr so eine Art Mini-Hadsch stattfindet, feiern Muslime auf der ganzen Welt das Opferfest. Wie machen die das unter Coronabedingungen?

Lemmen: Das Opferfest findet am dritten Tag dieser Wallfahrt zum zehnten Tag des Pilgermonats statt. Und das wird nicht nur in Mekka, sondern auf der ganzen Welt begangen als das höchste islamische Fest, das natürlich auch den Einschränkungen der Pandemie unterliegt. Das heißt, Abstandsregeln sind einzuhalten, wenn man in die Moschee geht. Man kann keine großen Feiern abhalten mit vielen Menschen, sondern ist im Grunde auf den Kreis der Familie bzw. der Personen beschränkt, die nun geimpft sind. Und auch dann gelten weiterhin die Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Thomas Lemmen / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Lemmen / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema