Schweizer Rat der Religionen zum Verschleierungsverbot

"Kein Grund zu großer Besorgnis"

In der Schweiz sind es 30 Frauen, die vom neuen Verschleierungsverbot betroffen sind. Trotzdem bewegt das Thema das Land. Dem "Rat der Religionen" ist es wichtig, diesen Beschluss nicht als Zeichen gegen den Islam zu werten.

Burka-Trägerin / © Salvatore Di Nolfi (dpa)
Burka-Trägerin / © Salvatore Di Nolfi ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie beurteilen Sie das Ergebnis der Volksabstimmung?

Dr. Harald Rein (Vorsitzender des Schweizerischen Rats der Religionen und Bischof der Christkatholischen Kirche): Als Vorsitzender des Schweizerischen Rats der Religionen kann ich für unsere Mitglieder sagen, einschließlich auch der ihm angehörenden islamischen Organisationen, dass wir zwar etwas traurig oder betrübt sind, dass unser Einsatz für die uneingeschränkte Religionsfreiheit nicht ganz mehrheitsfähig war, sondern die andere Seite gewonnen hat. Aber ich glaube nicht, dass das Grund zu großer Besorgnis oder Panik ist, weil in der Schweiz nur eine sehr kleine Zahl von Frauen betroffen ist und wir das eigentlich jetzt nicht als ein Zeichen oder eine Volkswehr gegen den Islam in der Schweiz sehen.

DOMRADIO.DE: Jetzt ist diese Abstimmung sehr knapp ausgegangen. Nur 51,2 Prozent haben für ein Verschleierungsverbot gestimmt. Aber dieses Verhüllungsverbot, das jetzt durchgekommen ist, ist die 23. Volksinitiative, die in den letzten fast 130 Jahren angenommen worden ist. Was bedeutet das? Ist es so, dass die Schweizer sich verbünden, wenn es gegen Fremde geht?

Rein: Nein, das kann man überhaupt nicht sagen, sondern wir kennen natürlich in der direkten Demokratie den Ausdruck der sogenannten "unheiligen Allianz". Das heißt, Mehrheiten für eine Volksinitiative kommen meistens nur zustande, wenn sich Richtungen oder Meinungen miteinander verbünden, die eigentlich für total gegenseitige Anliegen stehen. Es waren diejenigen, die grundsätzlich gegen den Islam etwas haben, gegen den militanten Islam. Aber alleine hätten die natürlich keine Mehrheit gehabt.

Aber es kamen dann natürlich noch die Feministinnen dazu, die einfach ein Zeichen setzen wollten gegen die Diskriminierung der Frau. Zwar nicht in der Schweiz, sondern auch im Ausland oder in Kulturen, wo Frauen den Schleier nicht freiwillig tragen, sondern den gesellschaftlich tragen müssen. Und der Effekt war, dass sozusagen ein sehr konservatives und ein sehr progressives Lager aus unterschiedlichen Meinungen sich zusammengeschlossen haben. Nicht direkt, aber de facto kam es halt zu einer knappen Mehrheit, während diejenigen verloren haben, die aus Gründen der Religionsfreiheit dagegen waren.

DOMRADIO.DE: Und das ist auch der Grund, dass eben, obwohl es ja wirklich nur eine geringe Anzahl von Menschen betrifft, den Schweizern dieses Randphänomen einen Volksentscheid wert war. Was steckt dahinter?

Rein: Ja, man kann nicht sagen, dass es ein Randphänomen sei. Ich meine Frankreich, Österreich, viele europäische Länder haben ähnliche Gesetze. Das ist jetzt nicht die Erfindung der Schweiz, sondern es ist einfach so, dass die Bevölkerung etwas verunsichert ist wegen Terrorakten oder dem Beten durch militante Muslime weltweit und auch in Europa. Und das ist der konkrete Hintergrund.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hat jetzt gerade erst auf seiner Irak-Reise wieder gesagt, wie wichtig das friedliche Miteinander der Religionen ist. Auf was für einen Boden fällt denn seine Botschaft?

Rein: In der Schweiz haben wir ein sehr gutes Klima im Schweizerischen Rat der Religionen, wo auch die anderen Religionen, insbesondere die Muslime und auch die jüdischen Gemeinschaften vertreten sind, und die meisten Schweizer und Schweizerinnen gehören diesen Kirchen oder Religionen an. Wir haben ein sehr gutes Miteinander und ich kann verstehen, dass die Muslime jetzt etwas verunsichert oder enttäuscht sind, auch wenn dieser Beschluss nicht gegen sie gerichtet war, sondern halt eben gegen eine kleine Gruppe von militanten Muslimen. Und natürlich diejenigen, die aus Gründen der Freiheit für die Frau im Feminismus einfach ein Zeichen setzen wollten. 

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Bischof Dr. Harald Rein (privat)
Bischof Dr. Harald Rein / ( privat )
Quelle:
DR
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