Generalbundesanwalt Peter Frank hat davor gewarnt, den islamistischen Terrorismus in Deutschland zu unterschätzen. "Die Bedrohung durch den islamistisch motivierten Terrorismus ist und bleibt groß. Ich warne davor zu glauben, der islamistische Terrorismus sei auf dem Rückzug, nur weil es in diesem Jahr in Deutschland keine komplexen Anschläge gegeben hat", sagte Frank der "Welt am Sonntag".
"Im Frühjahr haben wir in Nordrhein-Westfalen mutmaßliche Mitglieder einer Terrorzelle des IS festnehmen lassen. Die allesamt aus Tadschikistan stammenden Beschuldigten sollen die Begehung von Anschlägen in Deutschland geplant haben", sagte Frank.
Die Terrorgefahr zeige sich zudem durch die Anschläge der letzten Wochen in Frankreich, etwa den Messerangriff im Zusammenhang mit der Zeitschrift "Charlie Hebdo", die Enthauptung eines Lehrers sowie die Angriffe in Nizza am vergangenen Donnerstag. "Dies zeigt: Deutschland und Westeuropa sind weiterhin im Fadenkreuz radikaler Islamisten."
Am Donnerstag hatte in Nizza ein Tunesier laut Ermittlern drei Menschen mit einem Messer getötet. Der Angreifer wurde von Polizisten schwer verletzt und kam in ein Krankenhaus. Erst Mitte des Monats hatte die brutale Ermordung des Lehrers Samuel Paty im ganzen Land Entsetzen ausgelöst. Das Motiv des 18-jährigen Angreifers war den Ermittlern zufolge, dass Paty in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. Patys Leiche war enthauptet aufgefunden worden.
Die größte Gefahr in Deutschland sieht Frank allerdings aus dem Feld der Rechtsterroristen. Auf die Frage, ob er wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) von dort die größte Gefahr für die innere Sicherheit ausgehen sehe, sagte Frank: "Ich sehe das genauso. Die Zahl der von uns geführten Ermittlungsverfahren aus dem Phänomenbereich des Rechtsterrorismus hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Mit großer Sorge beobachte ich, wie unsere freiheitliche demokratische Grundordnung von Extremisten jeglicher Ideologien angegriffen wird." (dpa/01.11.2020)
03.11.2020
Für Sicherheitsbehörden ist es oft schwer, an die Täter islamistischer Anschläge heranzukommen. Prävention sei wichtig, aber Muslime zu pauschalisieren sei einem Rechtsstaat unwürdig, so Islamwissenschaftler Mathias Rohe.
Nach Ansicht des Erlanger Islamwissenschaftlers und Juristen Mathias Rohe wird der Islamismus in Deutschland nicht unterschätzt. "Wir haben hier die Augen offen", sagte Rohe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Schwierigkeit bestehe darin, dass es andere Radikalisierungs- und Täterstrukturen gebe als früher.
Die Täter seien häufig Einzelkämpfer, die sich im Internet oder in kleinen, abgeschirmten Zirkeln radikalisierten. Manchmal passiere das sehr schnell. Es sei schwieriger für die Sicherheitsbehörden geworden, an Täter frühzeitig heranzukommen.
Prävention und Wachsamkeit
"Wir müssen damit rechnen, dass auch hier mal wieder etwas passieren kann. Aber wir dürfen uns jetzt deswegen nicht im Panik versetzen lassen", sagte der Professor für Bürgerliches Recht.
Stattdessen müssten Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Bei aller Wachsamkeit dürften aber nicht die Falschen in Sippenhaft genommen werden. Etwa auf IS-Rückkehrer müsse ein Auge gehalten werden, sagte Rohe.
Auch viele radikale Frauen
Es gebe allerdings auch nicht den "typischen" IS-Rückkehrer. Manche seien nach wie vor radikalisiert und gefährlich. Andere seien frustriert und desillusioniert zurückgekommen. Um diese Personen kümmere man sich im Zuge eine Deradikalisierung und Reintegration.
"Wir müssen vor allem auch die zurückgekehrten Frauen im Auge behalten", betonte der Islamwissenschaftler. Ihnen könne man strafrechtlich relevante Taten schwer nachweisen, wisse aber, dass sie teilweise noch radikale Ideen vertreten. Nicht wenige von ihnen hätten auch Kinder, an die sie islamistische Ideologien weitergeben könnten.
Sie wollen keinen demokratischen Rechtsstaat
In der jüngsten Debatte über den "politischen Islam" warb Rohe dafür, weiter von Islamismus und islamistisch motivierten Terrorismus zu sprechen. Es gebe in Deutschland kein einheitliches Verständnis für den Begriff "politischer Islam".
Nach seiner Einschätzung gehe es in der jüngsten Debatte vor allem darum zu zeigen, dass die Gefahr des Islamismus und islamistischer Gewalt immer eine Vorgeschichte habe, sagte er. Unter Islamisten seien Menschen zu verstehen, die versuchten, eine Gegenordnung durchzusetzen, die dem demokratischen Rechtsstaat widerspreche. Dabei gehe es nicht um eine persönliche traditionelle oder konservative Lebensweise.
Muslime nicht pauschalisieren
Die Debatte könne gefährlich werden, wenn Muslime oder Moscheeverbände pauschal verdächtigt würden. Notwendig sei ein problemorientiertes Vorgehen. "Wodurch wird der säkulare Rechtsstaat herausgefordert, wer sind die Akteure, welche Ideologien stecken dahinter und was sind die Methoden? Da gibt es Radikalismus von rechts, von links und natürlich auch religiös konnotierten Radikalismus", sagte Rohe.
"Es ist eine Zumutung, wenn die muslimische Bevölkerung sich immer von vorneherein erklären müsste, dass sie zwar Muslime sind, aber trotzdem verfassungstreu." Das sei eines Rechtsstaats nicht würdig.
Generalbundesanwalt Peter Frank hat davor gewarnt, den islamistischen Terrorismus in Deutschland zu unterschätzen. "Die Bedrohung durch den islamistisch motivierten Terrorismus ist und bleibt groß. Ich warne davor zu glauben, der islamistische Terrorismus sei auf dem Rückzug, nur weil es in diesem Jahr in Deutschland keine komplexen Anschläge gegeben hat", sagte Frank der "Welt am Sonntag".
"Im Frühjahr haben wir in Nordrhein-Westfalen mutmaßliche Mitglieder einer Terrorzelle des IS festnehmen lassen. Die allesamt aus Tadschikistan stammenden Beschuldigten sollen die Begehung von Anschlägen in Deutschland geplant haben", sagte Frank.
Die Terrorgefahr zeige sich zudem durch die Anschläge der letzten Wochen in Frankreich, etwa den Messerangriff im Zusammenhang mit der Zeitschrift "Charlie Hebdo", die Enthauptung eines Lehrers sowie die Angriffe in Nizza am vergangenen Donnerstag. "Dies zeigt: Deutschland und Westeuropa sind weiterhin im Fadenkreuz radikaler Islamisten."
Am Donnerstag hatte in Nizza ein Tunesier laut Ermittlern drei Menschen mit einem Messer getötet. Der Angreifer wurde von Polizisten schwer verletzt und kam in ein Krankenhaus. Erst Mitte des Monats hatte die brutale Ermordung des Lehrers Samuel Paty im ganzen Land Entsetzen ausgelöst. Das Motiv des 18-jährigen Angreifers war den Ermittlern zufolge, dass Paty in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. Patys Leiche war enthauptet aufgefunden worden.
Die größte Gefahr in Deutschland sieht Frank allerdings aus dem Feld der Rechtsterroristen. Auf die Frage, ob er wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) von dort die größte Gefahr für die innere Sicherheit ausgehen sehe, sagte Frank: "Ich sehe das genauso. Die Zahl der von uns geführten Ermittlungsverfahren aus dem Phänomenbereich des Rechtsterrorismus hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Mit großer Sorge beobachte ich, wie unsere freiheitliche demokratische Grundordnung von Extremisten jeglicher Ideologien angegriffen wird." (dpa/01.11.2020)