Pater Nikodemus zur Weltversammlung "Religions for Peace"

Ein Schutzraum für eine friedliche Zukunft

Ab Dienstag kommen hochrangige Vertreter unterschiedlicher Religionen aus aller Welt zur Weltversammlung von "Religions for Peace" in Lindau am Bodensee zusammen. Aber hat die Konferenz das Potential, wirklich etwas zu bewegen?

"Religions for Peace": Religionen auf der Suche nach Frieden / © Vladimir Melnik (shutterstock)
"Religions for Peace": Religionen auf der Suche nach Frieden / © Vladimir Melnik ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Referat "Religion und Außenpolitik“ im Auswärtigen Amt unterstützt die Weltversammlung "Religions for Peace". Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Versammlung eröffnen. Welchen Stellenwert wird der Religion in den weltweiten Friedensbemühungen eingeräumt?

Pater Nikodemus Schnabel (Derzeitiger Berater der Abteilung für Kultur und Kommunikation im Referat "Religion und Außenpolitik“ des Auswärtigen Amts): Einen sehr hohen. Man muss erst mal zur Kenntnis nehmen: Egal, wie man zur Religion steht, 84 Prozent der Menschheit bekennt sich zu einer Religion. Das scheint für Deutsche etwas ungewöhnlich zu sein, weil hier eher drüber diskutiert wird, dass Religion verschwindet und Kirchen kleiner werden. Aber weltweit ist Religion ein wachsendes Phänomen. Für viele Menschen auf der Welt ist Religion ein ganz entscheidender Faktor für ihr Tun und vor allem auch für ihr konstruktives Tun für Friedenserziehung und Mediation. In vielen Bereichen ist Religion große Motivationskraft, dass Menschen sich für diesen Planeten, für diese Menschheit, für die Zukunft engagieren.

Ich durfte schon seit zehn Tagen junge Vertreter begleiten, die auch über die sozialen Medienkanäle über die Konferenzen berichten werden. Es ist wirklich spannend zu sehen, wie sich eine Gläubige Hindu aus Südafrika, eine gläubige Muslima, eine gläubige Buddhisten, ein gläubiger Katholik gemeinsam um die Zukunft sorgen und alle dabei tief gläubig sind. Das sind alles wirklich unglaublich sympathische Menschen. Wenn Menschen denken, Religion mache nur kaputt und sei nur destruktiv, dann empfehle ich, sich mal eine Stunde mit diesen jungen Menschen zu unterhalten. Dann spürt man die Energie, die sie aus dem Glauben für konstruktives Handeln ziehen.

DOMRADIO.DE: Aber haben die eventuell auch unterschiedliche Meinungen oder gar Definitionen von Frieden?

Pater Nikodemus: Ich glaube, was den Frieden betrifft, sind sich alle Religionen einig. Das wird übrigens auch eines der ganz großen Themen sein – vielleicht das theoretischste Thema neben den sehr vielen praktischen Themen. Es geht um diesen positiven Frieden. Denn Frieden bedeutet nicht nur, dass Waffen schweigen, Hauptsache, es bringt sich keiner um. Positiver Frieden ist viel mehr. Und gerade bei den jungen Leuten merke ich, dass sie eine Vision wollen, in der es wirklich allen gut geht – und zwar nachhaltig. Fromm gesprochen, geht es ihnen um die Bewahrung der Schöpfung, dass Frieden mit den Mitmenschen, mit Gott und mit der Schöpfung besteht.

DOMRADIO.DE: Wie steht es um sozialen Frieden? Werden solche Themen bei der Weltversammlung auch besprochen?

Pater Nikodemus: Absolut. Es geht um diese Themen. Es geht um diese ganzheitliche Entwicklung der Menschen. Es geht um die Ziele für nachhaltige Entwicklung von den Vereinten Nationen, die sogenannten SDGs. Es geht bei den jungen Menschen besonders auch um einen Frieden mit der Natur. Die Frage nach Luftsauberkeit, Ressourcen, sauberem Wasser und überhaupt der ganze Klimawandel.

Es gibt auch sogenannte Track-II-Veranstaltungen, das heißt, es wird am Rande der Konferenz Begegnungen zwischen Menschen aus Nordkorea und Südkorea, Bangladesch und Myanmar, Sunniten und Schiiten geben. Da werden zum Teil die ganz, ganz dicken Bretter gebohrt. Aber in einem sehr geschützten Bereich. Das sind eben Dialoge, die auch wirklich den Schutzraum brauchen, damit sie wachsen können.

DOMRADIO.DE: Diese jungen Menschen, die Sie gerade angesprochen haben, haben ja vor allen Dingen keine Lust mehr auf Gerede. Sie wollen konkretes Handeln. Jetzt wird – das ist ja irgendwie klar bei so einer Weltversammlung – doch in erster Linie nur geredet. Was kann trotzdem von "Religions for Peace" als Impuls ausgehen?

Pater Nikodemus: Ich glaube, es wäre ein Missverständnis, wenn man denkt, hier wird nur geredet. Zuerst mal wird auch gebetet. Das ist auch wichtig, denn hier treffen sich Religionsführer. Hier wird also auch mit Gott geredet. Und dann gibt es tatsächlich auch sehr konkrete Impulse, die jetzt entstehen. Es gibt einige Impulspapiere, die schon vorliegen und beschreiben, in welche Richtung es gehen kann.

Aber es ist ganz klar: Das soll hier nicht so ein nettes "Ach, schön, dass man sich gesehen hat" werden. Natürlich ist das auch ein großer Wert – gerade für die jungen Leute. Man trifft hier mit Anfang 20 auf einmal Gleichaltrige von einem anderen Kontinent, einer anderen Religion und spürt trotzdem, dass man die gleiche Fragestellung hat.

Aber es soll vor allem um sehr konkrete Sachen gehen. Thema wird der Regenwald in Brasilien sein, um ein Beispiel zu nennen. Der liegt hier sehr vielen am Herzen und da wird es darum gehen, welche konkreten Schritte man angehen kann.

Deswegen hat auch das Auswärtige Amt Interesse an den Religionen als Partner. Wenn Religion für 84 Prozent der Menschheit so wichtig ist, quasi die größte zivilgesellschaftliche Institution auf dieser Erde, dann ist es gut, wenn wir die Religionen ermutigen, ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst zu nehmen. Es gibt drängende Fragen der Menschheit, und die Religion hat da durchaus eine große Weisheit. Sie hat da auch eine große katalysatorische Kraft, Menschen zu motivieren, um für Versöhnung, für Gerechtigkeit und für einen positiven Frieden aktiv zu werden.

Das Interview führte Martin Mölder.

 

Pater Nikodemus Schnabel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Pater Nikodemus Schnabel / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR
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