Debatte über den Islam

"Vielfalt vor Einfalt"

"Der Islam gehört zu Deutschland" - ein Satz, an dem sich seit Jahren die Geister scheiden. Auf dem Kirchentag in Dortmund fanden Politiker und Funktionäre klare Worte.

Moschee in Frankfurt a.M. / © Boris Roessler (dpa)
Moschee in Frankfurt a.M. / © Boris Roessler ( dpa )

Der Deutsche ist tendenziell bekannt dafür, Probleme nüchtern mit dem Kopf zu lösen. "Das geht aber in der Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehört, irgendwann nicht mehr", sagt die Journalistin Merve Kayikci. Dann brauche es einfach eine "Bauchentscheidung".

Die junge muslimische Bloggerin äußerte sich am Samstag auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund in einer Diskussion mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, dem Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek und der Bischöfin und Ökumene-Expertin Petra Bosse-Huber. Für die Podiumsteilnehmer war klar: Der Islam gehört zu Deutschland. Für die in Deutschland geborene Kayikci ohnehin.

Wulff: "Ich will lieber Vielfalt und nicht ihr Gegenteil"

Die beiden großen christlichen Kirchen verlieren seit Jahren Mitglieder und zählten 2017 rund 44,8 Millionen Menschen. Zugleich geht das Bundesinnenministerium von rund 4,7 Millionen in Deutschland lebenden Muslimen aus. Der Islam - ob er dazugehören soll oder nicht - ist da.

Wulff hatte der Debatte mit seinem Islam-Satz vor etwa neun Jahren einen neuen Schub gegeben. Jetzt betont er: "Selbstverständlich gehört der Islam neben Christen und Juden zu Deutschland." Das Grundgesetz habe auf anderslautende Annahmen eine klare Antwort gegeben - Religionsfreiheit. Eine liberale, bunte Gesellschaft sei die Zukunft. "Ich will lieber Vielfalt und nicht ihr Gegenteil, die Einfalt", erklärte Wulff.

Es sei wichtig zu signalisieren, dass die Menschen mit allem, was sie ausmache, zur Gesellschaft dazugehörten. Entscheidend sei gegenseitiger Respekt, so Wulff. "Deutschland verträgt einen großen Teil Religion, wenn es übergreifende Regeln gibt, an die sich alle halten."

"Vehementeres Aufstehen gegen Hetzer"

Gleichzeitig rief der bekennende Katholik die Christen zu Bescheidenheit auf. "Christen dürfen nicht hochmütig sein und behaupten, moralisch immer alles richtig zu machen". Die Religionen hätten die Aufgabe, den gesellschaftlichen Zusammenhalt "herzustellen oder zu erhalten". Bekenntnis und Glaube erfordere immer auch Mut. "Wir brauchen ein viel vehementeres Aufstehen gegen die 'Fake News'-Verbreiter, Hetzer und Schwarzmaler."

Wulff äußerte sich auch zur "vermeintlichen Flüchtlingskrise" von 2015. Im Jahr 2040 werde Deutschland im Rückblick feststellen, welche Bereicherung die Menschen von damals seien, so seine Prognose. Kritisch verwies er auf die Einweihung der Zentralmoschee in Köln, die im September 2018 nicht der aktuelle Bundespräsident, sondern der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan vorgenommen hatte.

Mazyek: "Meine Kanzlerin heißt Merkel"

Mazyek mahnte dazu, sichtbarer für demokratische Werte aufzustehen. "Mein Bundespräsident heißt Steinmeier und meine Kanzlerin heißt Merkel", erklärte er unter Applaus. Leider sähen dies nicht alle so. Extremen Kräften sei immer und überall entgegenzuwirken. Wirklich gläubig seien beispielsweise Menschen, die Terroranschläge verübten, ohnehin nicht, warf Kayikci ein.

Dass die Zustimmung für den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" nachgelassen habe, sei auch dem geschuldet, dass die Gesellschaft "geschludert hat", so Mazyek weiter. Er warb dafür, den "Spirit", der 2015 durch das Land gegangen sei, konstruktiv wieder aufzunehmen.

Wulff betonte, dass Religion ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft sei, ohne den es "in Deutschland ziemlich traurig aussieht". Jeder könne von einem positiven gesellschaftlichen Miteinander profitieren.

Von Christian Michael Hammer


Aiman Mazyek bei einer Veranstaltung in Berlin / © Alexander Heinl (dpa)
Aiman Mazyek bei einer Veranstaltung in Berlin / © Alexander Heinl ( dpa )

Christian Wulff / © Felix Kästle (dpa)
Christian Wulff / © Felix Kästle ( dpa )
Quelle:
KNA