Jurist kritisiert Regelung zum Islam-Unterricht in NRW

"Verfassungswidrige Hilfskonstruktion"

Bis zum 31. Juli muss eine neue Lösung für den islamischen Religionsunterricht an Schulen in NRW gefunden sein. Der ehemalige NRW-Verfassungsrichter Bertrams greift den Gesetzentwurf der Regierung als "verfassungswidrig" an.

Islamischer Religionsunterricht  / © Oliver Berg (dpa)
Islamischer Religionsunterricht / © Oliver Berg ( dpa )

Der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams, hält die geplante Neuordnung des islamischen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen von NRW für verfassungswidrig.

Eine im Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition als Ansprechpartnerin des Landes vorgesehene, von den islamischen Organisationen besetzte Kommission sei "ebenso wie das bisherige Beirats-Modell eine verfassungswidrige Hilfskonstruktion", schreibt Bertrams im "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Dienstag.

Die Kommission könne auf Dauer eine islamische Religionsgemeinschaft als Kooperationspartnerin des Staates nicht ersetzen. Es sei Aufgabe der Islamverbände, die organisatorischen Voraussetzungen für eine entsprechende Religionsgemeinschaft zu schaffen und den Staat bei seinen Bemühungen um einen verfassungsgemäßen Religionsunterricht zu unterstützen.

Islamverband Ditib

Zur Türkisch-Islamischen Union (Ditib) gehören bundesweit mehr als 900 Ortsgemeinden. Die größte islamische Organisation in Deutschland vertritt nach eigenen Angaben über 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime. Gegründet wurde der Dachverband, der in Köln sitzt, 1984 als eingetragener Verein.

Logo der Ditib in Stuttgart / © Marijan Murat (dpa)
Logo der Ditib in Stuttgart / © Marijan Murat ( dpa )

"Doch an Integration ist vielen Islamverbänden augenscheinlich nicht gelegen", so Bertrams weiter. Namentlich nannte er die Türkisch-Islamische Union DITIB mit ihrer "Nähe zum islamistischen Regime" des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Übergangsvorschrift läuft Ende Juli aus

Die bislang geltende Übergangsvorschrift für die Organisation des islamischen Religionsunterrichts läuft zum 31. Juli aus. Derzeit besuchen rund 415.000 Schüler muslimischen Glaubens NRW-Schulen. Islamischer Religionsunterricht wird jedoch bislang lediglich für rund 20.000 Schüler an 234 Schulen erteilt.

Positiv hebt Bertrams hervor, dass die geplante Kommission staatsfern konstituiert sein soll. Ein Mitbestimmungsrecht des Landes bei der Besetzung entfällt. Stattdessen müssen islamische Organisation, die in dem Gremium mitwirken wollen, einen Vertrag mit dem Land abschließen.

Als eine neue Ansprechpartnerin steht dem Land die im März von dem Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide gegründete "Muslimische Gemeinschaft NRW" zur Verfügung. Diese will den nichtorganisierten Muslimen eine Stimme geben.

Wie die anderen islamischen Organisationen sei sie noch keine Religionsgemeinschaft, also noch kein Kooperationspartner für die Regierung im Sinne der Landesverfassung, stellte Bertrams klar.

Dazu bedürfte es eines bewussten Zusammenschlusses zum Zwecke gemeinsamer Religionsausübung. "Aber das Potenzial für eine aufgeklärte islamische Religionsgemeinschaft, die für einen weltoffenen Islam steht, ist in der Muslimischen Gemeinschaft NRW gegeben."

Quelle:
KNA