Türkische Gemeinde in Deutschland startet Online-Beratung

Mit Chat und E-Mail gegen Fanatismus

Viele Jugendliche mit muslimischen Wurzeln sind aus Unwissenheit für religiösen Fanatismus empfänglich, ihre Eltern oft hilflos. Die Online-Beratung "emel" will ihre Ängste auffangen. Ein Modellprojekt.

Autor/in:
Christina Denz
In einer Hamburger Moschee / © Axel Heimken (dpa)
In einer Hamburger Moschee / © Axel Heimken ( dpa )

Emel ist ein türkischer Frauenname. "Er steht für Hoffnung, aber auch für Ziele", sagt der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde (TGD) in Deutschland, Gökay Sofuoglu. "emel" nennt die TGD deshalb die nach eigenen Angaben erste europaweite Online-Beratung gegen religiös motivierten Extremismus, die der Spitzenverband am Mittwoch in Berlin vorstellte.

Mit der Beratung per E-Mail oder Chat will die TGD vor allem Eltern, aber auch Lehrkräften, Sozialarbeitern und anderen aus dem Umfeld gefährdeter Jugendlicher unkompliziert und schnell Hilfe geben, betonte Sofuoglu.

"Beratung absolut notwendig"

Er verwies auf Studien, wonach viele Jugendliche islamischer Herkunft nur über rudimentäre bis gar keine Islam-Kenntnisse verfügten. Bei ersten Anzeichen von religiösem Eifer reagierten Eltern deshalb oft hilflos oder aggressiv. "Das kann zu Konflikten in der Familie, der Loslösung von den Eltern und zur Hinwendung zu radikalen Gruppen führen", sagte Sofuoglu.

Die TGD versteht "emel" als niedrigschwellige Ergänzung zu bereits bestehenden Beratungsangeboten, allerdings mit Blick auf die Zielgruppe Eltern und das Erziehungsumfeld. Es sei "absolut notwendig, sie zu ihren Ängsten zu beraten", unterstrich Sofuoglu. Durch die anonyme Beratung will der Verband Vertrauen schaffen und die Familien ermutigen, über Befürchtungen und Verdachtsmomente zu sprechen. Das Angebot sei "aus der Community für die Community".

Breites Extremismus-Spektrum

Antworten geben auf "emel" vier ausgebildete Online-Berater und zwei Mentoren zunächst in Türkisch, Arabisch und Deutsch. Hinzukommen soll Sofuoglu zufolge unter anderem Russisch. "Das Spektrum religiösen Extremismus ist viel breiter als in der Öffentlichkeit bekannt", betonte er.

Projektleiterin Nevin Uca unterstrich, Online-Beratung sei in vielen Bereichen wie der Jugendhilfe etabliert, nicht aber bei der Bekämpfung von religiösem Extremismus. Dabei sei die Online-Beratung besonders niedrigschwellig und könne den Ratsuchenden Anonymität und Verschwiegenheit zusichern. Ratsuchende müssen sich jedoch auf der "emel"-Internetseite registrieren. Bei einem erhärteten Verdacht sind die Berater laut Uca verpflichtet, die Sicherheitsbehörden einzuschalten.  "Emel" gilt als Modellprojekt und wird vom Bundesinnenministerium im Rahmen des Programms "Demokratie leben!" für insgesamt zwei Jahre gefördert.


Quelle:
epd