Konferenz mit radikalen Muslimen in Kölner Zentralmoschee

Türkische Einflussnahme auf deutschen Islam?

Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat in der Kölner Zentralmoschee in den ersten Januartagen eine Islamkonferenz stattgefunden, an der auch Islamisten teilgenommen haben sollen. Was und wer steckt hinter dieser Veranstaltung?

Ditib Zentralmoschee in Köln / © Oliver Berg (dpa)
Ditib Zentralmoschee in Köln / © Oliver Berg ( dpa )

DOMRADIO.DE: Über eine Islamkonferenz in der Kölner Ditib-Zentralmoschee berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger. Weiß man denn, wer Veranstalter dieser ominösen Islamkonferenz war?

Prof. Dr. Thomas Lemmen (Referat für Interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln): Veranstalter waren das Präsidium für Religionsangelegenheiten der türkischen Republik, Diyanet, also die offizielle Behörde des türkischen Staates und der deutsche Ableger, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, Ditib.

DOMRADIO.DE: Wer ist alles dort gewesen? 

Lemmen: Es sollen um die hundert Personen aus Deutschland, dem übrigen Europa und aus der Türkei dabei gewesen sein. Neben den Vertretern von Diyanet und Ditib auch Vertreter anderer muslimischer Organisationen aus dem In- und Ausland.

DOMRADIO.DE: Auch Vertraute Erdogans? Zum Beispiel Ali Erbas, Präsident der Religionsbehörde?

Lemmen: Selbstverständlich. Vier der fünf Podien der Veranstaltung wurden von hohen Funktionären der Religionsbehörde Diyanet geleitet. Und das ist der offizielle türkische Islam, der Staatsislam.

DOMRADIO.DE: Heißt das insgesamt, dass die Ditib, die Türkisch Islamische Union, da weitermacht, wo sie als verlängerter Arm von Staatschef Erdogan kritisiert worden ist? Kann man das so sagen?

Lemmen: Es ist nun noch einmal offenkundig geworden, dass das so ist.

DOMRADIO.DE: Was sagen Sie dazu, dass diese Islamkonferenz eine Gegenreaktion zur Deutschen Islamkonferenz, zu der Innenminister Seehofer eingeladen hatte, gewesen sein soll?

Lemmen: Ich finde es nicht falsch, wenn Muslime sich unter sich treffen und darüber diskutieren, wie sie ihre Position definieren. Aber wenn dann gesagt wird, es gebe keinen europäischen und keinen deutschen Islam, weil das mit dem Wesen des Islam nicht übereinstimme, dann ist das schon eine problematische Aussage. Vor allen Dingen finde ich aber problematisch, dass diese Konferenz auch dazu diente, den Einfluss der Diyanet über die Ditib hinaus offenkundig auf die anderen islamischen Organisationen in Deutschland und Europa auszudehnen, um damit den Führungsanspruch der Türkei in der islamischen Welt gegenüber anderen konkurrierenden Mächten noch einmal deutlich zu machen. Die Diyanet versucht damit, noch stärker in Deutschland und Europa Fuß zu fassen.

DOMRADIO.DE: So eine geschlossene Gesellschaft, eine Islamkonferenz unter Beteiligung von Islamisten in Köln, trägt doch eher dazu bei, dass sich Fronten verhärten und die gemäßigten, liberalen Moslems zurückgedrängt werden, oder?

Lemmen: Man muss vor allen Dingen sagen, dass die große Mehrheit der Muslime, die weder radikal noch liberal sind, sich auch in diesem Land integrieren will und Teil dieses Landes sein will. Mit einer solchen Konferenz werden sie im Grunde vor die Wahl gestellt, sich entweder für hier oder dort zu entscheiden.

DOMRADIO.DE: Vertreter der Muslimbruderschaft sollen laut Medienberichten auch bei der Konferenz dabei gewesen sein. Es gibt ein Zentrum der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) in Köln. Diese Gemeinschaft soll Verbindungen zu den radikalen Muslimbrüdern haben. Wie schätzen Sie diese Gemeinschaft ein?

Lemmen: Die Islamische Gemeinschaft in Deutschland hat sich mittlerweile umbenannt in Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG). Sie ist seit Jahrzehnten im Fokus der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und wird als extremistisch eingeschätzt. Allerdings muss man sagen, dass es keine gewalttätige Organisation ist. Es gibt bei der Muslimbruderschaft sehr unterschiedliche Zweige. Die IGD wird eher dem legalistischen Flügel zugerechnet.

Dazu muss man auch beachten, dass Erdogan selbst aus einer Bewegung kommt, die man als die türkische Variante der Muslimbruderschaft bezeichnen muss, die sogenannte Milli Görüs Bewegung. Von daher gibt es schon lange Kontakte zwischen diesen beiden Bewegungen in der Türkei, in der arabischen Welt und auch in Deutschland. Interessant ist, dass die deutsche Milli Görüs Bewegung sich davon distanziert hat und sozusagen - wie die Verfassungsschutzbehörden verlautbaren - in die Mitte der Gesellschaft rückt. Nun erfolgt im Grunde über den türkischen Umweg auf einmal wieder eine Stärkung dieser alten Verbindung.

DOMRADIO.DE: Das sind keine guten Signale für den interreligiöser Dialog, die Stärkung der liberalen Muslime, für Austausch und Verständigung. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?

Lemmen: Meines Erachtens ist der Staat gefordert, die herausragende Rolle, die die Ditib immer noch genießt, zu überprüfen. Die Frage lautet beispielsweise, ob wir wirklich aus der Türkei entsandte Imame, die bevorzugt mit Visa und Aufenthaltserlaubnis ausgestattet hier im Auftrag der Diyanet ihren Dienst versehen, brauchen. Wäre es nicht besser, auf diejenigen zurückzugreifen, die hier in Deutschland geboren und ausgebildet worden sind? Da liegt der Ball im politischen Spielfeld. Es ist zu entscheiden, ob man diese Kooperation mit Diyanet und Ditib wirklich will oder ob nicht etwas anderes angesagt wäre.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Thomas Lemmen / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Lemmen / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR