"Initiative säkularer Islam" will liberale Muslime stärken

"Verbände haben ihre Chance nicht genutzt"

Sind die Islamverbände in Deutschland zu konservativ? Die "Initiative säkularer Islam" wünscht sich einen aufgeklärten und demokratiefähigen Islam und will Muslime ins Gespräch bringen, die die Politik bisher übersehen hat.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Sie stehen nach eigener Aussage für einen aufgeklärten, demokratiefähigen Islam. Warum hat sich diese Initiative ausgerechnet jetzt gebildet?

Ali Ertan Toprak (Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände, CDU-Mitglied): Wir nehmen die Eröffnung der vierten Deutschen Islamkonferenz zum Anlass, diese Initiative zu gründen. Und wir möchten damit auch einem Spektrum innerhalb der Muslime in Deutschland Sichtbarkeit verleihen, das bislang nicht repräsentiert war. Der Staat hat in den letzten Jahren vor allen Dingen mit den erzreaktionären, konservativen Verbänden verhandelt.

Immer, wenn es um die Zahl der Muslime geht, hören wir diese große Zahl: Fünf Millionen Muslime leben in Deutschland – da werden alle dazu gerechnet. Aber wenn es darum geht, was man mit dem Staat aushandelt, sind 80 Prozent der nicht-organisierten Muslime nicht dabei. Und deswegen haben wir uns gedacht, ist es jetzt an der Zeit, dass dieses Spektrum eine Stimme bekommt.

DOMRADIO.DE: Sie sagen, Sie wollen einen aufgeklärten, einen demokratiefähigen Islam. Hauptgesprächspartner für die Politik ist vor allem der Zentralrat der Muslime. Heißt das jetzt im Umkehrschluss, dass dieser Zentralrat für diese Themen zu wenig steht?

Toprak: Ja, auf jeden Fall. Der Zentralrat gehört zu den Verbänden, die in den letzten zwölf Jahren die Chance hatten, in der Deutschen Islamkonferenz die Muslime in diesem Land voranzubringen, damit sich hier auch ein deutscher Islam entwickelt. Diese Chance haben die Verbände nicht genutzt. Sie haben sich und die Muslime in erster Linie zu Opfern stilisiert. Sie waren nicht kritikfähig und haben dazu beigetragen, dass die Muslime und der Islam ein negatives Image in Deutschland haben. Denn man kann nicht immer die sogenannten Kritiker für das negative Image der Muslime verantwortlich machen. Nein, verantwortlich sind die Islamverbände, die die Chance für den politischen Dialog mit dem Staat nicht genutzt haben.

DOMRADIO.DE: Was ganz konkret soll sich ändern?

Toprak: Die Muslime müssen kritikfähig sein, sie müssen Kritik aushalten und vor allen Dingen müssen sie auch die Trennung von Staat und Religion akzeptieren. In Deutschland gibt es Religionsfreiheit, aber wir sind ein multireligiöses Land. Und da müssen wir eine gemeinsame Basis finden, auf der wir das Zusammenleben gestalten können und das ist die Säkularität, die Trennung von Staat und Religion. Es ist ja nicht schlimm, konservativ zu sein, aber schwierig ist es, dass die konservativen Verbände allesamt Vertretung des politischen Islams in Deutschland sind. Sie werden alle vom Ausland dirigiert und das kann nicht sein. Hier geht es um das Zusammenleben in Deutschland, um die Zukunft der deutschen Muslime. Deswegen müssen sich die Menschen, die hier in diesem Land leben, mehr einbringen und auch eine Stimme bekommen. Nicht Erdoğan und auch nicht Riad dürfen hier bestimmen, wie Muslime in Deutschland zu leben haben.

DOMRADIO.DE: Jetzt startet heute die Islamkonferenz. Wie groß sind Ihre Erwartungen?

Toprak: Wir sind zunächst einmal froh darüber, dass unsere Kritik endlich von der Politik und vom Bundesinnenministerium erhört worden ist. Deswegen finde ich gut, dass Horst Seehofer die Islamkonferenz endlich geöffnet hat. Die Muslime werden zum ersten Mal in ihrer Vielfalt repräsentiert. Und die über 240 Teilnehmer sind alle wichtigen Akteure. Das wollten wir seit Jahren und ich hoffe, dass wir jetzt den Dialog dieser vierte Runde nutzen können, um die ins Stocken geratene Diskussionen um den Islam voranzubringen.

Das Interview führte Verena Tröster.


Ali Ertan Toprak, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände / © Gregor Fischer (dpa)
Ali Ertan Toprak, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände / © Gregor Fischer ( dpa )
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DR