Kardinal Marx über Umgang mit Muslimen und Liebe zur Heimat

Von Generalverdacht bis Heimweh

Wie sollte man als Christ in Deutschland Muslimen begegnen? Für den Münchner Kardinal Reinhard Marx ist diesbezüglich die Antwort klar. Und auch zum derzeit vielbemühten "Heimatbegriff" hat der DBK-Vorsitzende eine deutliche Meinung.

Reinhard Kardinal Marx / © Harald Oppitz (KNA)
Reinhard Kardinal Marx / © Harald Oppitz ( KNA )

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat sich dagegen ausgesprochen, Muslime von vornherein unter Generalverdacht zu stellen. "Ich kann doch nicht sagen: Weil du Muslim bist, bist Du für mich eine Bedrohung", sagte Marx im Interview der "Münchner Kirchenzeitung". Das sei wider den christlichen Glauben. Zudem seien nicht alle Angehörigen einer Religion gleich. Es gebe manche, die seien gar nicht religiös. Auch seien nicht alle Muslime Fanatiker.

Erst der Mensch, dann der Glaube

Für Christen gibt es nach den Worten von Marx wichtige Punkte, an denen sie festzuhalten haben. Dazu gehörten Respekt, Nächstenliebe, Solidarität mit den Schwachen und Armen. "Ich kann nicht einfach unterstellen, dass die Muslime, die mir begegnen, diese Werte nicht teilen", sagte der Kardinal und fügte hinzu: "Vielleicht teilen ja auch einige Christen diese Werte nicht."

Für den Umgang mit Muslimen gelte es, miteinander zu reden. "Nicht wir entscheiden über die Werte der anderen, sondern wir müssen mit ihnen sprechen, um herauszufinden, was ihre Werte und Überzeugungen sind." Zuerst handle es sich um Menschen, dann komme der Glaube.

Botschaft der Hoffnung in die Gesellschaft tragen

Aufgabe der Kirche ist es nach Ansicht des Kardinals die Botschaft der Hoffnung in die Gesellschaft zu tragen. Ziel müsse sein, Hass, Nationalismus, Gegnerschaft und Feindschaft von Menschen zu überwinden. So gelte es daran festzuhalten, "dass jeder Mensch Bild des lebendigen Gottes ist, dass jeder bei uns menschenwürdig behandelt und respektiert wird, und dass wir versuchen, miteinander zu leben, auch wenn wir unterschiedliche Meinungen haben".

Marx plädierte für eine "Kultur des Respekts", die alle Menschen einschließe.

Schon in der eigenen Familie gebe es oft Gläubige und Nichtgläubige, Kirchgänger und Nichtkirchgänger oder verschiedene Konfessionen, erinnerte der Kardinal. "Wir können nicht zurück in einen Staat oder eine Gesellschaft, in der alle eine Religion und eine Kultur haben." Die offene Gesellschaft, die frei und demokratisch sei, bringe Vielfalt hervor. Wer die Tatsache, dass Menschen sich frei entscheiden können, als Bedrohung sehe, wolle eine Gesellschaft, in der die Dinge vorgeschrieben seien. Das wäre ein Rückschritt. "Wir als Christen sollten unsere Botschaft der gleichen Würde, die Vielfalt ermöglicht, überzeugt und überzeugend einbringen", so Marx.

Liebe zur Heimat hat nichts mit Abgrenzung zu tun

Weiter ist Kardinal Marx davon überzeugt, dass man als Deutscher seine Heimat lieben darf. "Ich brauche keine neuen Parteien, ich brauche keine rechten oder linken Ideologien, um meine Heimat zu lieben und trotzdem weltoffen zu sein", so Marx. Für ihn sei Heimat ein "vollkommen normales Wort", das man auch gerne benutze. "Liebe zur Heimat hat nichts mit Abgrenzung und Nationalismus zu tun. Das ist ein Unterschied!"

Der aus Geseke in Westfalen stammende Marx räumte ein, auch Heimweh zu kennen. Das erste Jahr in Trier als Bischof sei ihm sehr schwergefallen. Ihm sei klar geworden, "dass ich nicht mehr zurückgehe und nicht mehr verfügbar bin für eine Hochzeit oder spontan Freunde besuchen kann."

Besonders stark sei das Heimweh gewesen, "wenn Freunde zu Besuch kamen, die in ihrem Dialekt gesprochen haben, und wir Heimatlieder gesungen haben". Nach zwei Jahren sei es mit dem Heimweh dann vorbei gewesen: "Ich hätte nicht gedacht, dass das ein so starkes Gefühl sein kann."

"Bayern hat mir viel gegeben"

Mittlerweile sei er seit zehn Jahren in Bayern zu Hause und fühle sich "ausgesprochen wohl", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Auch wenn er die bayrische Sprache wohl nicht mehr perfekt erlernen werde, so sei er doch weitgehend inkulturiert.

Man könne die Lebenserfahrung, die man als Kind gemacht habe, nicht noch einmal machen. Aber: "Bayern hat mir viel gegeben." Hier als Bischof wirken zu dürfen, sei für ihn großartig. Da seien einerseits die vielen wertvollen Begegnungen und interessanten Gespräche mit den Menschen, aber auch die traditionsreiche kirchliche Wirklichkeit.

Marx zeigte sich zugleich als Realist. Etwa 45 Prozent der Menschen im seinem Erzbistum seien Katholiken, dazu kämen Protestanten, andere christliche und auch nicht-christliche religiöse Gruppen sowie viele Konfessionslose. "Wie diese gläubig sind oder nicht, das weiß ich nicht." Er persönlich könne sich nur schwer vorstellen, dass jemand in einer so schönen Landschaft lebe und sage, es gebe keinen Gott.

"Aber ich kann nicht einfach davon ausgehen, dass jeder alles teilt, was ich glaube."


Quelle:
KNA