Prominente Muslime kritisieren Pläne für neue Islamkonferenz

Warnung vor "Verkirchlichung" des Islam

Die geplante Neuausrichtung der Deutschen Islamkonferenz stößt bei prominenten Muslimen auf Kritik: Dem früheren Grünen-Chef Cem Özdemir gehen die Pläne des Bundesinnenministeriums etwa nicht weit genug. Er fordert einen Neubeginn.

Islam in Deutschland / © Boris Roessler (dpa)
Islam in Deutschland / © Boris Roessler ( dpa )

"Die Islamkonferenz braucht nicht nur einen Neustart - sie braucht endlich ein Ziel und einen verbindlichen Fahrplan", schreibt Özdemir in einem Gastbeitrag für die "Welt" (Donnerstag).

Das Ziel sei die rechtliche Integration des Islam, so Özdemir weiter: "Unser Grundgesetz bietet für die Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften einen guten Rahmen". Eine Lösung werde man nicht gegen, sondern nur mit den Verbänden finden können - "allerdings nur mit solchen, die glaubhaft auf dem Boden des Grundgesetzes stehen". Persönlich wünsche er sich einen Islam, der der Gesellschaft zugewandt sei und Zwischentöne zulasse.

Direkten Dialog suchen

Die Publizistin Necla Kelek forderte in einem Gastbeitrag für die Zeitung, die Islamkonferenz müsse den direkten Dialog mit den Menschen mit muslimischem Hintergrund suchen: "Die Islamkonferenz sollte öffentlich tagen und so offen wie nötig die Probleme und Sorgen der Muslime mit dem politischen Islam, aber auch der Gesellschaft mit dem Islam ernst nehmen."

Der Politikwissenschaftler Bassam Tibi warnte in seinem Gastbeitrag vor einer "Verkirchlichung" des Islam: "In Deutschland leben nicht wie angenommen vier bis fünf Millionen Muslime, sondern sieben Millionen. Würden die alle eine islamische Kirchensteuer bezahlen, wären die Islamverbände Milliardäre", so Tibi .

Diese Art von "deutschem Islam" lehne er ab: "Er wäre eine Gefahr für die Demokratie und für das friedliche Zusammenleben zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen in diesem Jahrhundert in Deutschland und in Europa."

"Monopol auf den Islam nehmen"

Der Psychologe Ahmad Mansour plädierte dafür, den muslimischen Verbänden "das Monopol auf den Islam" zu nehmen, "denn sie repräsentieren nicht mal 30 Prozent des Muslime in Deutschland". Der Innenminister solle eine Islamkonferenz schaffen, "die diese Heterogenität widerspiegelt".

Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi sieht die Konferenz nach zwölf Jahren weiterhin am Anfang. "Außer der Etablierung des islamischen Religionsunterrichts hat sich nicht geändert", kritisierte er. Ourghi räumte jedoch ein, es sei schwierig, das Gremium durch Vertreter des liberalen Islam zu reformieren, denn die "schweigende Mehrheit" der Muslime schaffe es nicht, selbst einen Dachverband zu gründen.

Reyhan Sahin alias Rapperin Lady Bitch Ray sagte: "Ein deutscher Islam wird nicht nur von Männern für Männer gemacht, sondern er vertritt und inkludiert alle Frauen und Queers." Der "Gott des deutschen Islam ist eine Frau", so die Kulturwissenschaftlerin. Die Religionspädagogin Lamya Kaddor unterstrich, der deutsche Islam sei "längst Realität".

Islamkonferenz neu aufstellen

Das Bundesinnenministerium will die Deutsche Islamkonferenz nach der Sommerpause neu aufstellen. Dabei sollen die deutschen Muslime einen Islam definieren, "der zu Deutschland gehört"; dies müsse ein "deutscher Islam" sein, "und zwar auf dem Boden unserer Verfassung", hieß es bei der Vorstellung der Pläne. Insbesondere wolle man den Einfluss konservativer Verbände einschränken und stärker als bisher die Interessen der in Deutschland nicht organisierten Muslime berücksichtigen.


Özdemir kritisiert die geforderte "islamische Verfassung" für die Türkei / © Michael Kappeler (dpa)
Özdemir kritisiert die geforderte "islamische Verfassung" für die Türkei / © Michael Kappeler ( dpa )

Ahmad Mansour, Publizist / © Stephanie Pilick
Ahmad Mansour, Publizist / © Stephanie Pilick

Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor  / © Bodo Marks (dpa)
Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor / © Bodo Marks ( dpa )
Quelle:
KNA
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