Publizist warnt vor Scheitern der Integration von Muslimen

"Zuwanderung ist keine Erfolgsgeschichte"

Gehört der Islam zu Deutschland? Bundesinnenminster Seehofer hatte diese Diskussion jüngst neu entflammt. Der Publizist Hamed Abdel-Samad ist selber Moslem. Er sieht aber in der Zuwanderung von Muslimen keine Erfolgsgeschichte.

Hamed Abdel-Samad / © Dominik Becker (DR)
Hamed Abdel-Samad / © Dominik Becker ( DR )

DOMRADIO.DE: Sie sind in Ägypten geboren, vor über 20 Jahren nach Deutschland gekommen, haben als Wissenschaftler gearbeitet und eine ganze Reihe Bücher zum Thema geschrieben. Das neueste ist gerade frisch erschienen: "Integration - Ein Protokoll des Scheiterns". Der Titel des Buches zeigt schon, in welche Richtung es geht: Sie halten die Integration von Muslimen in Deutschland für gescheitert. Warum? Sie sind doch eigentlich das beste Gegenbeispiel. Sie haben hier studiert, sind mittlerweile deutscher Staatsbürger, sprechen und arbeiten auf Deutsch. Das zeigt doch, dass Integration gelingen kann, oder nicht?

Hamed Abdel-Samad (Deutsch-ägyptischer Politikwissenschaftler und Publizist): Natürlich gibt es viele Muslime, die sich auch durch individuelle Leistungen gut integriert haben. Aber das sind die Ausnahmen. Wir reden ja von der Masse, von den Muslimen als Kollektiv. Die Zuwanderung von Muslimen nach Europa war insgesamt keine Erfolgsgeschichte. Man muss das einfach endlich mal einsehen.

Die erste Generation hatte Vollbeschäftigung und kaum Probleme in der Gesellschaft. Aber die dritte Generation, die hier geboren und sozialisiert ist, die Produkt unseres Bildungssystems ist, findet trotzdem unsere Freiheit nicht attraktiv und jubelt lieber einem Erdogan zu – einem autoritären Herrscher, der in der Türkei eigentlich die Demokratie mit Füßen tritt, der die Islamisierung vorantreibt. Da kann man nicht von einer gelungenen Integration sprechen.

Wenn wir sehen, dass 43 Prozent aller Arbeitslosen in Deutschland Migrationshintergrund haben und dass die Mehrheit davon Türken und Araber sind, dann kann man nicht von Erfolg sprechen. Wenn man die Zahl der Salafisten sieht, die sich verdoppelt hat, die Zahl der Gefährder, die sich verdreifacht hat, wenn man die Sympathisanten für den IS und für Fundamentalisten sieht, wenn man die Probleme an Schulen sieht – Antisemitismus und Gewalt – dann ist es eine Selbstlüge, von einer gelungenen Integration zu sprechen.

DOMRADIO.DE: Sie schreiben und sprechen von vielen Muslimen, die sich aus Ihrer Sicht der Integration verweigern. Sie sagen, die anderen sind Ausnahmen. Ist das nicht doch sehr pauschalisierend? Gibt es nicht doch viele Muslime, die einfach hier ein ganz normales Leben führen wollen und die es einfach auch Leid sind, immer in eine Ecke bedrängt zu werden?

Abdel-Samad: Wie pauschalisierend ist das, wenn ich sage: 43 Prozent aller Arbeitslosen haben Migrationshintergrund und die Mehrheit davon sind muslimische Einwanderer. Oder die Zahlen der Salafisten, die Zahlen der Erdogan-Anhänger. Das sind feste Zahlen – die habe ich nicht erfunden. Natürlich gibt es welche, die sich integriert haben. Wir reden von der Masse, verglichen mit anderen Gruppen.

Lassen Sie einen Vergleich zu den Vietnamesen ziehen: 75 Prozent aller Vietnamesen macht Abitur. Bei den deutsch-türkischen Jugendlichen sind es nur 36 Prozent. Und die Bildungslücke zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen – in Deutschland, aber auch europaweit – ist gewaltig. Da kann man nicht von Erfolg sprechen.

DOMRADIO.DE: Wenn wir über Integration reden, sind wir eigentlich auch immer automatisch beim Islam, also bei der Integration muslimischer Migranten. Wir sprechen fast nie über die Integration von christlichen, jüdischen oder buddhistischen Einwanderern. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Abdel-Samad: Weil Buddhisten oder Juden gut integriert sind.

DOMRADIO.DE: Und warum integrieren die sich besser?

Abdel-Samad: Das hat mit der Vereinbarkeit zwischen den Kulturen zu tun. Es gibt in der jüdischen Kultur keinen Aspekt, der das Christentum als Feind sieht oder Europa, den Westen oder die Aufklärung als Gefahr wahrnimmt. Bei Vietnamesen oder Japanern gibt es Konfuzianismus oder Buddhismus und die Idee, dass man in Harmonie mit seiner Umgebung leben sollte und nicht im Konflikt.

Aber wenn Menschen aus einer Kultur einwandern, die den Westen als Feind sieht, der den Islam zerstören will, wenn man eine moralische Verachtung gegenüber dem Westen und seinen Werten hat, dann kann man sich nicht integrieren. Wenn man von der Wiederherstellung des Osmanischen Kalifats träumt – das bedeutet, man will ja Europa erlösen, man sieht sich als die bessere Alternative zu Europa – dann sind das keine guten Voraussetzungen für Integration.

Dazu kommen die Fragen nach den Werten: Wie stehe ich zu Freiheit? Verfüge ich über meinen eigenen Körper? Kann eine Frau anziehen, was sie will? Kann eine Frau heiraten, wen sie will? Das ist alles im Islam nicht vorhanden und verhindert deshalb auch die Integration.

DOMRADIO.DE: Da würden liberale Muslime natürlich sofort widersprechen und Ihnen gute Gegenargumente bringen.

Abdel-Samad: Natürlich können jetzt einzelne Muslime kommen und sagen: Ich bin Arzt oder Ähnliches. Das reicht mir nicht. Ich spreche von der Masse. Die meisten Muslime in Deutschland leben in Parallelgesellschaften. Das ist Fakt. Da kann jeder liberale Muslim erzählen, was er will. Das ist Fakt. Die meisten muslimischen Frauen haben nicht die Freiheit, in Deutschland den Mann zu heiraten, den sie wollen. Egal, welche Religion er hat. Die meisten muslimischen Frauen können nicht alleine wohnen. Das sind Fakten. Die meisten muslimischen Schüler haben Probleme in der Schule. All das sind Fakten.

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns über Ihre eigene Vergangenheit sprechen. Sie sind in Ägypten als Sohn eines Imams aufgewachsen, in einer sehr religiösen Familie. Sie schreiben in Ihrem Buch, der Islam und die westlichen Werte seien nicht miteinander vereinbar. Wie haben Sie denn das Problem für sich persönlich gelöst?

Abdel-Samad: Ich habe mich für die Freiheit entschieden. So einfach ist das. Der Prozess selbst war nicht einfach, aber die Entscheidung muss erstmal fallen. Man muss sich entscheiden: Will ich Teil des Kollektivs sein? Akzeptiere ich, dass das Kollektiv und ein Buch, das 1400 Jahre alt ist, über meinen Alltag bestimmen? Brauche ich ein Buch, um mit meinen Mitmenschen umzugehen? Muss ich die Welt in Gläubige und Ungläubige unterteilen? Muss ich ständig Angst vor der Hölle haben? Das sind Elemente im Islam, die die persönliche Freiheit verhindern und somit auch die Integration. Und davon hab ich mich gelöst.

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie sind heute kein Moslem mehr?

Abdel-Samad: Ich bin kein gläubiger Moslem. Ich bin ein Kultur-Moslem, aber gläubig bin ich nicht.

DOMRADIO.DE: Sie warnen in ihrem Buch eindringlich vor der Unterwanderung der deutschen Gesellschaft durch den Islam. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen all derer, die das schon immer glauben gewusst zu haben. Die AfD macht mit so etwas Politik und es schürt die Ängste vor dem Islam in der Bevölkerung. War das Ihre Absicht?

Abdel-Samad: Was für eine Absicht? Ich schreibe solche Bücher schon, bevor es die AfD überhaupt gegeben hat. Ich warne vor dieser Unterwanderung und vor der Islamisierung seit zehn Jahren. Ich habe schon vor Fundamentalismus gewarnt, da hat man mich deswegen ausgelacht und gedacht, ich fantasiere von Terrorismus in Europa. Deutschland sei sicher und nicht Amerika. Da gab es die AfD, Pegida und diese ganzen Leute nicht. Die sind das Produkt dessen, dass die Politik untätig geblieben ist, dass man gleichgültig geblieben ist und die Probleme nicht gelöst hatte.

Ich erlebe immer diese moralische Erpressung: "Haben Sie nicht Angst, Applaus von der falschen Seite zu bekommen?" Wir haben aber nicht nur eine falsche Seite. Wir haben mittlerweile sehr viele falsche Seiten: Islamisten, Fundamentalisten, Erdogan-Anhänger, gleichgültige Politiker und auch Rechtsradikale. Die kritisiere ich auch in meinem Buch und grenze sie aus. Aber wenn die AfD sagt, die Sonne scheine draußen, dann muss ich gar nicht widersprechen. Es gibt auch Fakten, denen niemand widersprechen kann.

Es ist die Angst der Politik, dass die AfD davon profitieren könnte. Aber davor sollten wir die Probleme lösen. Haben wir Probleme oder nicht? Tun wir etwas, um die Probleme zu lösen oder nicht? Ist die AfD unser größtes Problem? Nein, sage ich.

DOMRADIO.DE: Für die gescheiterte Integration machen Sie auch die deutsche Politik verantwortlich. Sie schreiben in Ihrem Buch: "Nicht das Individuum wurde in seinen Rechten und Kompetenzen bestärkt, sondern das religiöse und patriarchalische Kollektiv." Was meinen Sie damit?

Abdel-Samad: Ich differenziere zwischen den Menschen und der Ideologie. Ich sehe Muslime nicht als Kollektiv, sondern als Individuen. Es gibt in der Tat viele Individuen, die sich integriert haben. Aber die meisten gehören zu einem Kollektiv, leben in Parallelgesellschaften und wurden gehindert, Teil der deutschen Gesellschaft zu werden.

Daran sind Islamisten und kriminelle Großfamilien schuld. Sie wollen diese Strukturen nicht auflösen. Und die Politik fördert die Falschen und vergisst die Richtigen. Die Politik glaubt, Muslime nur über den Islam integrieren zu können. Deshalb fördert man die konservativen Islamverbände mit Millionen. Am Ende haben wir einen Erdogan-Kult erhalten – subventioniert mit unseren Steuergeldern. Das ist die falsche Politik und die muss aufhören.

DOMRADIO.DE: Vermutlich ging man lange davon aus, dass sich die Probleme in Deutschland von alleine lösen würden. Dadurch, dass vor allem die jungen Menschen sich von alleine für ein Leben in Freiheit, für Spaß und Selbstbestimmung entscheiden werden. Warum ist diese Rechnung wohl nicht aufgegangen?

Abdel-Samad: Weil das Kollektiv bestärkt wurde. Man muss sich erstmal die Migrantenviertel überall in Europa und Deutschland anschauen. Wer wohnt dort und wer kontrolliert diese Viertel? Das sind meistens kriminelle Großfamilien und Islamisten. Sie haben kein Interesse daran, dass sich Muslime von diesen Strukturen loslösen und Deutsche werden. Sie haben Interesse daran, dass eine Kultur des Schweigens über diesen Vierteln herrscht, damit sie ihren Geschäften ungestört nachgehen können.

Die Politik wollte sich die Finger nicht schmutzig machen und glaubte, wenn man den Islamverbänden Geld gebe, dann leiste man Integrationspolitik. Natürlich kommen dann solche Islamverbände wie Ditib und sagen, sie machen Integrationsarbeit. Am Ende machen sie dann Veranstaltungen, bei denen Kindersoldaten den Märtyrertod bejubeln oder einen Erdogan-Kult aufbauen. Das war die falsche Politik.

Wir haben mittlerweile viele Integrationsangebote aber keine Integrationsgebote. Wir wissen, was wir Migranten anbieten können, aber wir wissen noch nicht, was wir von ihnen verlangen können. Das muss sich ändern.

DOMRADIO.DE: Sie kritisieren aber nicht nur, Sie unterbreiten auch Vorschläge. Auf den letzten 30 Seiten ihres Buches beschreiben Sie einen "Marshallplan" für eine gelingende Integration. Wenn Sie Regierungschef wären und Politik einfach durchsetzen könnten: Was würden sie als erstes in Deutschland ändern?

Abdel-Samad: Als erstes würde ich als Staat das Gewaltmonopol von den Migrantenvierteln, von Islamisten und kriminellen Großfamilien zurückholen. Es gibt viele No-Go-Areas. Es gibt viele Orte, an denen die Justiz nicht mehr eingreift, weil wir da Friedensrichter oder Scharia-Richter haben. Es gibt viele Orte, an denen Frauen überhaupt keinen Zugang zu deutschen Institutionen haben. Da muss man natürlich als erstes diese Strukturen zerschlagen.

Zweitens muss die Justiz viel schneller handeln und konsequenter werden, was die Abschiebung von Kriminellen und illegalen Einwanderern angeht.

Dann muss das Bildungssystem umgestellt werden und den neuen Bedürfnissen entsprechen. Jungen Muslimen in der Schule darf nicht nur Wissen vermittelt werden, sondern sie müssen auch über die Freiheit unterrichtet werden. Sie müssen in der Schule Freiheit leben, ausleben und aufatmen können. Es ist ein Armutszeugnis unseres Bildungssystems, dass daraus Salafisten und Erdogan-Anhänger entstehen, statt der Freiheit zuzujubeln.

DOMRADIO.DE: Ihre Thesen sind provokant. Sie haben Bücher geschrieben, die ziemlich radikal mit dem Islam abrechnen. Zahlreiche Morddrohungen haben Sie deswegen bekommen, sie stehen unter Personenschutz. Ist das nicht ein ziemlich hoher Preis? Würden Sie nicht lieber ein normales Leben führen, in dem man sich auch frei bewegen und alleine auf der Straße rumlaufen kann?

Abdel-Samad: Selbstverständlich. Ich würde gerne an einem sonnigen Tag einfach im Park spazieren gehen oder draußen einen Kaffee trinken. Es gibt schon sehr viele Einschränkungen. Ich war seit fünf Jahren nicht mehr im Kino oder im Theater. Ich verzichte auf so viele Sachen, die auf Kosten meiner Lebensqualität gehen.

Aber das ist auch ein Zeichen und ein Protokoll des Scheiterns, dass ein Schriftsteller mitten im Europa des 21. Jahrhunderts unter Personenschutz steht und Morddrohungen bekommt, nur weil er seine Meinung zum Thema Islam und Migration schreibt.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR