Debatte über mögliches Kopftuchverbot für Kinder hält an

Unterschiedliche Ansichten

Das von NRW-Integrationsminister Joachim Stamp angeregte Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren sorgt weiter für Diskussionen. Lehrerverbände begrüßen den Vorschlag, während sich unter anderem der Islamrat dagegen ausspricht.

Schülerin mit Kopftuch / © Oliver Berg (dpa)
Schülerin mit Kopftuch / © Oliver Berg ( dpa )

Mit ihrem geplanten Kopftuchverbot für muslimische Mädchen stößt die nordrhein-westfälische Landesregierung auf scharfe Kritik der SPD-Opposition. Diese Pläne seien "haarsträubend" und "unausgegoren", sagte der Integrationsexperte der SPD-Landtagsfraktion, Ibrahim Yetim, am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das sei "kein Signal in Richtung Integration". Stattdessen werde dadurch eine ganze Religion verdächtigt, aufseiten der Hardliner um den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan oder der Salafisten zu stehen. Ein solches Verbot ausgerechnet an Kindern festzumachen, halte er für besonders unsensibel und integrationsfeindlich.

Der Politiker betonte, seine Partei und er seien "keine Freunde des Kopftuchs". Ein Verbot befördere jedoch Spaltung statt Integration. Zudem führe ein Kopftuchverbot in Kindergärten und Schulen am Ende auch dazu, dass andere religiöse Kleidungs- oder Schmucksymbole wie das christliche Kreuz oder die jüdische Kippa aus diesen Einrichtungen verbannt werden müssten. Zudem wies der Sozialdemokrat darauf hin, dass NRW bereits im März 2015 mit einem generellen Kopftuchverbot für muslimische Lehrkräfte vor dem Bundesgerichtshof gescheitert sei.

Unterdessen unterstützte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die Pläne seines Integrationsministeriums, das Tragen des Kopftuchs bis zur Religionsmündigkeit, also dem 14. Lebensjahr, zu untersagen. Die Forderung von Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) sei besonders "überzeugend", weil sie selbst Muslima sei und ihre Mutter ein Kopftuch trage.

Mobbing den Boden entziehen

Heinz-Peter Meidinger, Chef des Deutschen Lehrerverbandes, sagte der "Bild"-Zeitung (Montag), ein Kopftuchverbot würde dazu beitragen, Diskriminierung aus religiösen Gründen und antireligiösem Mobbing zumindest tendenziell den Boden zu entziehen. Er forderte, eine "bewusste Demonstration religiöser Symbole bei religionsunmündigen Kindern" zu unterlassen. An weiterführenden Schulen sei dies aber etwas anders.

Susanne Lin-Klitzing, Chefin des Deutschen Philologenverbandes, sagte der Zeitung, es solle keine Unterordnung des einen Geschlechts unter das andere in einer Demokratie geben. "Ein Kopftuch kann aber als Symbol dafür verstanden werden und hat deshalb im Unterricht nichts zu suchen".

Ates: Vorstoß "längst überfällig"

Seyran Ates, Gründerin der Liberalen Moschee in Berlin, bezeichnete den NRW-Vorstoß als "längst überfällig". Sie habe das Verbot bereits 2006 im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz gefordert. Islam-Experte Ahmad Mansour sagte: "Ein Kopftuch für ein Kind ist eine Form von Missbrauch. Wir brauchen ein Verbot um Kindern zu ermöglichen, ideologiefrei aufzuwachsen ohne Geschlechtertrennung und Sexualisierung."

Auch die Organisation Terre des Femmes kritisierte, dass es eine Zunahme gebe, "nicht nur bei der Vollverschleierung, zum Beispiel auch beim Kinderkopftuch". Schon in Grundschulen gebe es immer mehr verschleierte Mädchen.

Der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Thüringens Kultusminister Helmut Holter (Linke), sprach sich gegen ein Kopftuchverbot aus und sagte: "Alle Kinder sollen sich zu freien und selbstbestimmten Individuen entwickeln können. Daher müssen wir die Demokratiebildung in den Schulen stärken."

Islamrat: Kopftuchzwang ist überholt

Der Vorsitzende des Islamrates, Burhan Kesici, nannte die Debatte "populistisch, symbolgeladen und inhaltsleer". Die Vorstellung, muslimischen Mädchen würde das Kopftuch aufgezwungen, sei überholt: "Kopftuchzwang und Kopftuchverbot schlagen in dieselbe Kerbe: Beide entmündigen Musliminnen."

Auch wenn es vielleicht wenige Fälle gebe, in denen Mädchen das Kopftuch aufgezwungen werde, halte er es für "unverhältnismäßig und verfassungswidrig", wegen einer vermuteten Minderheit "bei allen jungen Musliminnen die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit einzuschränken".

Stamp (FDP) hatte vorgeschlagen, zu prüfen, "das Tragen des Kopftuchs bis zur Religionsmündigkeit, also dem 14. Lebensjahr, zu untersagen".

Lehrer beobachteten an den Grundschulen immer häufiger, dass schon siebenjährige Schülerinnen mit Kopftuch in den Unterricht kämen.

Anfang April war bekanntgeworden, dass in Österreich Mädchen in Kindergärten und Grundschulen nach Plänen der Regierung künftig keine Kopftücher mehr tragen dürfen.

Gesichtsverschleierung

Das Kopftuch von Musliminnen gehört zu den meistdiskutierten Symbolen islamischen Glaubens. Für die einen ist es Zeichen der Unterdrückung der Frau im Islam, für die anderen Ausdruck der Religionsfreiheit und der weiblichen Selbstbestimmung. Hinter der Bezeichnung "Kopftuch" verbergen sich unterschiedliche Formen von Überwürfen. Der "Dschilbab" ähnelt am ehesten dem europäischen Kopftuch; er wird als Überwurf über Kopf, Schultern und Brust getragen. Der "Nikab" ist ein Gesichtstuch mit einem Schlitz für die Augen.

Frau mit Kopftuch / © Harald Oppitz (KNA)
Frau mit Kopftuch / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA