Weihnachten als Chance für den interreligiösen Dialog

Was machen Muslime an Weihnachten?

Ist es okay, Muslimen einen Weihnachtsgruß zu schicken? Feiern Muslime Weihnachten überhaupt? DOMRADIO.DE hat mit der Islamwissenschaftlerin Melanie Miehl über Weihnachten aus christlicher und muslimischer Sicht gesprochen.

Kirche und Moschee / © Harald Oppitz (KNA)
Kirche und Moschee / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Im muslimischen Glauben – das heißt im Koran und dem muslimischen Umfeld – kommt das Weihnachtsfest nicht vor. Ist das richtig?

Melanie Miehl (Islamwissenschaftlerin, Mitglied der Christlich-Islamischen Gesellschaft CIG): Als Fest in dem Sinne wird es nicht beschrieben. Die Geburt Jesu wird im Koran erwähnt, der ja im Islam als Prophet eine Rolle spielt. Die Figur Jesu und die Figur Mariens sind Gestalten, die im Islam präsent sind.

DOMRADIO.DE: Und wie geht man nun damit um: Feiern muslimische Familien in Deutschland auch Weihnachten?

Miehl: Das ist eine Entwicklung, die ich persönlich sehr spannend finde. Denn man wird hier ja erschlagen von der Flut an Weihnachtsgestaltungen und Festivitäten; in der Schule, am Arbeitsplatz – Weihnachten ist ja nicht nur etwas Religiöses, sondern auch etwas Kulturelles, das den Alltag durchdringt. Da kommt man nicht dran vorbei. Wenn zum Beispiel muslimische Kinder sehen, wie christliche Kinder Geschenke bekommen, dann entscheiden sich auch manche muslimische Eltern, ihren Kindern zu Weihnachten etwas zu schenken. Das machen nicht alle, aber manche. Viele nehmen auch einfach Anteil: Ich bekomme mittlerweile mehr Weihnachtskarten von Muslimen als von Christen.

DOMRADIO.DE: Sollte ich denn einer muslimischen Familie auch Weihnachtsgrüße schicken?

Miehl: Ich würde dann eher überlegen, einen Gruß zum Ramadan-Fest zu schicken. Das ist vielleicht sinnvoller. Denn den ursprünglichen Festgehalt Weihnachtens gibt es im Islam so nicht. Man kann natürlich ein paar schöne freie Tage wünschen, aber wenn man wirklich seinem Nachbarn oder Kollegen gratulieren will, dann ist das Ramadan-Fest eine gute Alternative.

DOMRADIO.DE: Sie sind Mitglied in der Christlich-Islamischen Gesellschaft. Wie kann das Weihnachtsfest eine Gelegenheit sein, dass sich Christen und Muslime begegnen?

Miehl: Ich habe das persönlich immer so empfunden, dass solche Begegnungen zu Weihnachten besonders oft passieren. Vor ein paar Wochen hat es eine Umfrage von INSA-Meinungsforschung gegeben zur Frage: Was machen die Deutschen an Weihnachten? Mich hat es da erstaunt, dass neun Prozent der Muslime in einen Weihnachtsgottesdienst gehen möchten; genauso wie acht Prozent der Konfessionslosen. 

DOMRADIO.DE: Was halten Sie davon, das Sankt Martinsfest Laternenfest zu nennen oder den Weihnachtsmarkt Wintermarkt, um damit keine Andersgläubigen zu verletzen?

Miehl: Davon halte ich nichts. Ich glaube auch, dass es sich dabei um den Versuch handelt, alles zu nivellieren, was anders ist oder worum es einen Konflikt geben könnte. Das bringt uns im Dialog nicht weiter. Denn zum Dialog gehört auch, dass man eine eigene Identität hat, die ja auch zum Ausdruck kommt, wenn man feiert. Dann mit der Gießkanne zu nivellieren, würde den Festen die Tiefe nehmen, bis irgendwann auch die Freude nicht mehr vorhanden ist. Ich glaube also, dass man sich damit keinen Gefallen tut.

Ich glaub auch nicht, dass Muslime das wollen. Der Zentralrat der Muslime hat zu solchen Bestrebungen ganz klar gesagt, dass sie das für Quatsch halten. Es ist auch für muslimische Kinder wunderschön etwa an Sankt Martin das Beispiel desjenigen zu sehen, der barmherzig ist; der nicht vorbeigeht, wenn der Bettler am Straßenrand sitzt. Das passt in den Islam genauso wie ins Christentum. Es gibt keine Notwendigkeit für ein Laternenfest.

Das Interview führte Heike Sicconi.

 

Quelle:
DR
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