Zwischen "Halal Barbecue" und "Muslim-Knigge"

Arabische Touristen in der Schweiz

Die Schweiz steht bei muslimischen Reisenden hoch im Kurs. Und das trotz Minarettverbot und Burka-Debatte. Eine Inspektion.

Autor/in:
Vera Rüttimann
Burka-Trägerin / © Salvatore Di Nolfi (dpa)
Burka-Trägerin / © Salvatore Di Nolfi ( dpa )

"Halal Barbecue Cruise" steht auf einem Info-Schild an Bord des Schiffs, das muslimische Gäste zur abendlichen Grillausfahrt auf den Brienzersee einlädt. Praktisch alle Plätze für die Schifffahrt sind ausgebucht. Im Bauch des Schiffs kann der Gast sich mit üppiger orientalischer Kulinarik nach den Regeln des Korans verköstigen. Freudig machen Frauen mit Burka oder Kopftuch Selfies von sich und dem tiefblauen See, während Männer an ihren Wasserpfeifen ziehen.

Nur wenige Orte in der Schweiz haben sich dem muslimischen Tourismus so verschrieben wie das zwischen Brienzer- und Thunersee liegende Interlaken im Herzen der Schweiz. Eine ganze "Halal-Wertschöpfungskette" hat sich hier etabliert. Aber auch andere Orte holen auf, wie zum Beispiel Luzern am Vierwaldstätter See. Viele der Touristen, die hier am Seequai Richtung Lido flanieren, kommen aus arabischen Ländern. Meist sind sie in großen Gruppen unterwegs.

Stimmung gemischt

Die wohlhabenden Familien fallen auf: Arabische Männer mit weitgeschnittenen, cremefarbenen Hosen begleiten ihre meist tief verschleierten Frauen zu Geschäften oder teuren Restaurants. Etliche Hotels wie das "Palace" bereiten Speisen "halal", nach islamischen Speisevorschriften, zu. Auch im "Palace" freut man sich darüber, dass die Zahl arabischer Gäste seit 2000 um fast 400 Prozent gestiegen ist. Die durch den starken Franken gebeutelte Schweizer Tourismusindustrie kann diese Einnahmen gut gebauchen.

Nicht jeder Schweizer jedoch kann sich so leicht mit dem Anblick vollverschleierter Musliminnen anfreunden. Die Schlagzeilen zu islamistischem Terror in Frankreich und Deutschland haben auch hierzulande Spuren hinterlassen. Im Internet fallen über Burka-Trägerinnen schon mal abschätzige Worte wie "Briefkästen" und "Kohlensäcke".

Schweiz wird abstimmen

Mit der Frage konfrontiert, ob sie Ressentiments seitens der Schweizer schon einmal verspürt hat, antwortet eine Niqab-Trägerin vor dem "Palace": "No, Swiss people are very friendly." Doch es seien durchaus vereinzelte arabische Gäste seit dem Burka-Verbot im Kanton Tessin verunsichert, weiß sie aus ihrem Umfeld. Auch die Frau aus Dubai weiß: In der Schweiz soll ein Votum über ein landesweites Burka-Verbot abgehalten werden.

Julie Paterson kennt die arabischen Gepflogenheiten bestens. Sie wohnt jeweils sechs Monate im Jahr in Ägypten und bietet als Reiseleiterin Frauen-Reisen an. Den Sommer über lebt sie in Interlaken. Sie hat eine viel beachtete Webseite für arabische Gäste lanciert: Unter www.interlakenforarabs.com finden arabische Gäste alle Infos, wie man als Muslim im Berner Oberland Ferien machen kann.

"Muslime-Knigge"

Die Unternehmerin appelliert an "Toleranz, Offenheit und Bereitschaft, mit arabischen Gästen ins Gespräch zu kommen". Sie selbst habe durchwegs positive Erfahrungen mit den Gästen gemacht. Julie Paterson: "Araber sind ein sehr geselliges Volk."

In den meisten großen Hotels der Schweiz hat man jedoch schon längst erkannt: Mit dem Auftischen von Halal-Speisen ist es nicht getan. Die Hotelangestellten müssen sich mit der Lebensart arabischer Gäste vertraut machen. Hotels wie das "Swissotel Zürich" arbeiteten deshalb für ihre Angestellten einen "Muslime-Knigge" aus: In hauseigenen Trainings lernen die Angestellten, dass ihre Gäste geschlechtergetrennte Schwimmbäder und Wellness-Bereiche wünschen.

Oder dass Araber gerne einen Teekocher im Zimmer haben. Die Angestellten erfahren im Kurs auch, dass man Musliminnen nicht lange in die Augen sehen sollte und sie es nicht mögen, von Fremden berührt zu werden. Das gut geschulte Personal vermeidet es zudem, während des Ramadan vor arabischen Gästen zu rauchen oder Alkohol zu trinken.

Wie würde ein Burka-Verbot wirken?

In den Zimmern des "Swissotel Zürich" stehen überdies arabische Fernsehsender und arabische Zeitungen zur Verfügung. Die Mitarbeiter an der Rezeption können gläubigen Gästen auch den Weg zu umliegenden Moscheen weisen.

Auch Hotels wie das "Baur au Lac", das "Park Hyatt Zürich" oder das "Radisson Blu" am Flughafen Zürich bieten heute eine breite Palette von islamkompatiblen Dienstleistungen an. Meist liegen sie an der Rezeption in Form einer Broschüre mit dem Titel "Gäste aus den Golfstaaten", die "Hotelleriesuisse" - der Unternehmerverband der Schweizer Hotellerie - gemeinsam mit Schweiz Tourismus herausgegeben hat.

Welche Auswirkungen hätte ein landesweites Burka-Verbot für den Schweizer Tourismus? Karin Sieber, Medienbeauftragte von "Hotelleriesuisse", sagt, ihr Verband lehne ein schweizweites Verhüllungsverbot ab, "da der Imageverlust mit einem Rückgang von Besuchern aus einem der wichtigsten Wachstumsmärkte für den Tourismus einhergeht."


Vom Kopftuch bis zur Vollverschleierung / © Redaktion: S. Tanke; Grafik: R. Heber  (dpa)
Vom Kopftuch bis zur Vollverschleierung / © Redaktion: S. Tanke; Grafik: R. Heber ( dpa )
Quelle:
KNA