Zeitungsbericht: Hunderte Fälle unter Flüchtlingen

Immer mehr Kinderehen

Mit dem Zustrom von Flüchtlingen sind auch hunderte sogenannte Kinderbräute nach Deutschland gekommen. Justiz und Behörden sind noch unentschieden, wie die Ehe minderjähriger Mädchen mit älteren Männern zu bewerten ist.

Frauen mit Kopftuch / © Fredrik von Erichsen (dpa)
Frauen mit Kopftuch / © Fredrik von Erichsen ( dpa )

Laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung (Samstag) gibt es in Deutschland immer mehr minderjährige Mädchen, die bereits verheiratet sind. Die Zahl der sogenannten Kinderbräute sei mit der Zunahme der Zahl der Asylbewerber deutlich angestiegen. Die Behörden hätten in den vergangenen Monaten Hunderte von Kinderehen registriert. Politiker suchen nach Möglichkeiten, diese Praxis zu unterbinden.

In Bayern etwa habe man bis Ende April 161 verheiratete Asylbewerber unter 16 gezählt und 550 unter 18. In Baden-Württemberg seien 117 Kinderehen verzeichnet worden, in Nordrhein-Westfalen mindestens 188. In den allermeisten Fällen seien minderjährige Mädchen schon in ihrer Heimat mit einem Erwachsenen verheiratet worden, schreibt die Zeitung. Erst danach hätten sie sich auf den Weg nach Deutschland gemacht.

Ehemündigkeit anheben?

Laut "Bild" prüft die Justizministerkonferenz derzeit einen Antrag, des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty (SPD), ob in Deutschland generell die Ehemündigkeit auf 18 Jahre angehoben werden soll. Zudem sollen die Justizminister klären, ob nach ausländischem Recht geschlossene Ehen die Anerkennung versagt werden soll, wenn keine Ehemündigkeit nach deutschem Recht besteht.

Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) sagte der Zeitung, im Ausland geschlossene Ehen mit unter 16-jährigen Mädchen dürften in Deutschland künftig "nicht anerkannt werden". Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner kritisierte, viele Flüchtlinge versuchten über Kinder-Ehen "ihre Töchter in Sicherheit zu bringen". Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), betonte: "Kinder-Ehen in Deutschland darf es nicht geben!"

Freiwillige Entscheidung zweifelhaft

Die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, hatte sich schon am Freitagabend besorgt geäußert über die Entwicklung: "Solche Kinderehen passen nicht zu unseren Werten, zu denen es gehört, dass die Ehe auf einer freiwilligen Entscheidung mündiger Menschen beruht und nicht durch Verwandte oder Traditionen vorgegeben wird."

Nach deutschem Recht kann heiraten, wer 18 Jahre alt ist und damit "ehemündig". Die Ehe ab 16 ist nur möglich, wenn der andere Partner bereits volljährig ist und die Eltern oder ein Familiengericht zustimmen.

Gerichtsentscheid im Mai

Das Oberlandesgericht Bamberg hatte im Mai entschieden, dass ein als Vormund bestelltes Jugendamt nicht über den Aufenthaltsort eines heute 15-jährigen Mädchens aus Syrien bestimmen darf. Dieses war dort als 14-Jährige mit seinem volljährigen Cousin verheiratet worden. Die Ehe sei wirksam und selbst im Falle einer Unterschreitung des in Syrien geregelten Ehemündigkeitsalters nicht unwirksam, sondern nur anfechtbar oder aufhebbar. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.

Im traditionellen islamischen Recht wird teilweise davon ausgegangen, dass Mädchen bereits mit 9 Jahren, Jungen mit 12 Jahren heiratsfähig sind. Allerdings haben einige Staaten mit Reformen und zur Vermeidung von Kinderehen ein höheres Alter für die Ehemündigkeit festgelegt, wobei dies in der Praxis unterlaufen wird.

Organisationen warnen

Die Hilfsorganisation SOS-Kinderdörfer hatte im Mai gewarnt, dass immer mehr Flüchtlingskinder zwangsverheiratet werden. Vor allem bei minderjährigen Mädchen aus Syrien steige die Anzahl der Kinderehen. Vor dem Krieg in Syrien seien bei 13 Prozent aller Hochzeiten einer oder beide Ehepartner jünger als 18 Jahre gewesen. Nun seien es über 51 Prozent. Vor allen in Flüchtlingscamps in Jordanien, im Libanon, im Irak und in der Türkei habe sich die Zahl der Zwangsehen erhöht.

Ein Grund sei, Töchter in der Fluchtsituation finanziell, aber auch körperlich abzusichern, erklärte Alia Al-Dalli, Leiterin der SOS-Kinderdörfer im Nahen Osten. Die Folgen seien allerdings verheerend: Die Mädchen brechen nicht nur häufig die Schule ab und werden sozial isoliert, sondern auch oft Opfer von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch durch wesentlich ältere Ehemänner. Laut der Weltgesundheitsbehörde WHO sei die zweithäufigste Todesursache von Kinderbräuten die Geburt ihres Kindes, gefolgt von Selbstmord.


Quelle:
KNA , dpa