Ahmadiyya-Gemeinde bleibt bei Moscheebau gelassen

"Aus den Hinterhöfen rausholen"

In Erfurt und Leipzig gibt es zum Teil heftigen Protest gegen die geplanten Moscheebauten. Abdullah Uwe Wagishauser von der Ahmadiyya-Gemeinde sagt dennoch: "Wenn einmal das Schlimmste vorüber ist, verstehen wir uns mit den Nachbarn sehr gut." 

Abdullah Uwe Wagishauser / © Philip Schwarz (dpa)
Abdullah Uwe Wagishauser / © Philip Schwarz ( dpa )

domradio.de: Als klar war, dass in Leipzig eine Moschee gebaut werden soll, wurde auf dem Baustellengelände ein totes Ferkel gefunden. Trotzdem sehen Sie die Proteste entspannt. Warum?

Abdullah Uwe Wagishauser (Vorsitzender der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in Deutschland): Es ist nicht das erste Mal, dass wir so etwas erleben. Wir haben in Berlin-Heinersdorf schon Schlimmeres gesehen. Da waren teilweise 6.000 Neonazis auf der Straße. Jetzt ist dort eine entspannte Atmosphäre. Die Erfahrung zeigt: Wenn einmal das Schlimmste vorüber ist, verstehen wir uns mit den Nachbarn sehr gut.

domradio.de: Solidarität erhalten Sie von den christlichen Kirchen und auch von der Jüdischen Gemeinde vor Ort. Wie sieht diese Solidarität konkret aus?

Wagishauser: Das war in Leipzig sehr faszinierend. Wir waren gar nicht darauf eingestellt, dass zum Beispiel auch die Universität Solidarität zeigt, insbesondere das Radio der Universität. Aber auch Stadtteilorganisationen und die Kirchen betonten Solidarität. Wir haben auch zusammen Veranstaltungen angeboten.

Es gab Studenten, die sich auf ihre Jutebeutel Moscheen gedruckt haben. Ich will nicht sagen, dass sie alle eine Moschee oder den Islam wollen. Aber sie wollen ein buntes Leipzig. Genau das Gleiche erfahren wir jetzt auch in Erfurt - und das gibt Mut. Es gibt Mut, dass es dort Menschen gibt, die sagen: Wir müssen zusammen leben und das können wir schön gestalten.

domradio.de: Viele Menschen haben Sorge, dass in solchen Moscheen junge Islamisten zusammenkommen und radikalisiert werden könnten. Wie sehen Sie das?

Wagishauser: Man sollte es mit den Worten von Meister Eckhart sehen, einem Entdecker der spirituellen Gelassenheit, in dem man sagt: Man soll die Dinge auf sich zukommen lassen. Ich verstehe die Ängste, vor allem angesichts der allgemeinen politischen Lage, bei den vielen Kriegen. Aber wir leben nun mal zusammen in Deutschland und es ist deshalb wichtig, dass die Muslime ihren Glauben auch leben und zeigen können.

Wenn eine Moschee da ist, die ihre Türen aufmacht, kann man sich erkundigen und hingehen. Die Muslime müssen aus den Hinterhöfen herauskommen. Wir arbeiten mit unseren Jugendlichen. Wir sind für einen Islamunterricht an den Schulen. Wir sind genauso für eine Aufklärung der Bevölkerung wie wir für eine Aufklärung der muslimischen Bevölkerung sind.

Es ist wichtig, dass jeder seine Religion kennt und sie auch offen lebt. Vor dem Islam muss man keine Angst haben. Ich glaube, wir brauchen nicht aufgeregt sein, sondern müssen wir uns den Auseinandersetzungen stellen.

domradio.de: Einige Muslime fordern in Schulen oder Schwimmbädern eigene Umkleidekabinen für Muslime. Und in der Schweiz gab es jetzt kürzlich eine Diskussion, weil ein muslimisches Schulkind seiner Lehrerin nicht die Hand geben wollte. Muss man das als Tradition akzeptieren oder ist das misslungene Integration?

Wagishauser: Das ist eine aufgeregte Debatte um Dinge, die nicht so wichtig sind. Denn es sind wirklich Ausnahmen. In der Regel können die Probleme in der Schule geregelt werden - ob das jetzt um den Schwimmunterricht, Klassenfahrten oder Umkleidekabinen geht. Das sind wenige Ausnahmen, die dann hochgepuscht werden. Manchmal übertreiben es natürlich auch die Muslime. Man kann sich da arrangieren.

Ich würde zum Beispiel nie einer Frau, die mit einer ausgestreckten Hand auf mich zukommt, die Hand ausschlagen. Vielleicht würde ich ihr später mal, wenn wir uns näher kennen gelernt haben, sagen: Im Islam gibt es diese Tradition, übrigens auch im Judentum, aber die muss nicht trennend wirken. Man muss auch eine gewisse Höflichkeit an den Tag legen und eine Kompromissbereitschaft. Das verlange ich auch von den Muslimen.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR