In Nigeria steigt die Zahl der Flüchtlinge

Auf der Flucht vor Boko Haram

Kein Ende des Terrors in Sicht: Im nordnigerianischen Maiduguri sind offenbar Dutzende Menschen bei erneuten Anschlägen ums Leben gekommen. Und die Zahl der Binnenflüchtlinge wird immer größer.

Autor/in:
Katrin Gänsler
Nigerias Armee kämpft gegen Boko Haram (dpa)
Nigerias Armee kämpft gegen Boko Haram / ( dpa )

Die Provinzhauptstadt Maiduguri im nigerianischen Bundesstaat Borno ist wieder einmal ins Visier mutmaßlicher Extremisten geraten. Bei drei Anschlägen kamen am Sonntagabend vermutlich Dutzende Menschen ums Leben. Eines der Ziele war laut örtlichen Medienberichten eine Moschee, in der sich Gläubige zum Abendgebet versammelt hatten. Bekannt hat sich noch niemand zu den Angriffen. Doch sie tragen die blutige Handschrift der Terrorgruppe Boko Haram.

Dabei hatte die nigerianische Armee Ende vergangener Woche betont, dass die Gruppe so gut wie besiegt sei. Viele Lager, die die Miliz im Nordosten Nigerias unterhalten habe, seien befreit, hieß es. Zudem sei es gelungen, mehrere Terroristen zu verhaften, ließ Oberst Sani Kukasheka Usman, Sprecher der Streitkräfte, mehrfach verkünden. Die neuerlichen Anschläge werden indes als ein letztes Aufbäumen der Gruppe gewertet.

2,15 Millionen Binnenflüchtlinge

Für viele Flüchtlinge in der Region ändert das jedoch nichts daran, dass sie weiter nicht in ihre Heimatorte zurückkehren können. Nach jüngsten Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gibt es derzeit landesweit 2,15 Millionen Binnenflüchtlinge. Und die Zahlen steigen ständig, wie Stephanie Daviot bestätigt; sie ist für die Erfassung der Flüchtlinge zuständig.

"Zum einen liegt es daran, dass wir inzwischen einen besseren Zugang zu einigen Regionen haben. Damit können wir mehr Menschen registrieren", erläutert sie. "Aber es hat kürzlich auch wieder verstärkt Anschläge gegeben - besonders in Borno." Allein dort liegt die Zahl bei 1,65 Millionen Menschen. In viele Gegenden können die IOM-Mitarbeiter nicht fahren, weil die Lage nach wie vor als unsicher gilt. "Daher ist es gut möglich, dass die tatsächliche Zahl noch höher liegt", so Daviot.

In der Provinzhauptstadt Yola (Bundesstaat Adamawa) bewertet der Priester Maurice Kwairanga die Lage ähnlich. Der Leiter des Komitees für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden (JDPC) hat im Camp rund um die Kirche Sankt Theresa zuletzt wieder mehr Binnenflüchtlinge aufgenommen. Derzeit sind es 720 - noch Ende Juni waren es zwischen 250 und 300.

Anschläge auf Flüchtlinge

Besonders sorgt sich der Priester um jene, die nicht in Lagern untergebracht sind. Davon betroffen seien 5.000 Menschen, die in und um Yola nach einer provisorischen Unterkunft suchten. "Sie sind  zum Teil in Rohbauten untergekommen und brauchen ganz dringend Lebensmittel und medizinische Versorgung", berichtet Kwairanga. Die Betroffenen fürchteten nun, fernab ihrer Heimatorte, auch verstärkt um ihre Sicherheit. Bei einem Anschlag auf ein Camp in Yola kamen am 11. September sieben Menschen ums Leben; weitere 20 wurden verletzt.

Seitdem sind viele Menschen ängstlich. Die Schutzmaßnahmen wurden verstärkt. Die Lage ist unübersichtlich, das bestätigt auch Hanson Ghandi Tamfu, Sprecher des UNHCR-Büros in Abuja. "Im Moment kehren Flüchtlinge aus Kamerun und Tschad zurück. Unser Büro in Bauchi berichtet uns täglich, dass immer mehr Menschen kommen und sich registrieren lassen."

Zeitpunkt der Rückkehr in Dörfer fraglich

Viele Flüchtlinge würden lieber heute als morgen in ihre Heimatdörfer zurückkehren. In den ländlichen Regionen gibt es viele Farmer, die ihre Felder bestellen wollen - nur so können sie ein eigenes Einkommen erwirtschaften. "Wir empfehlen aber, nur dann zurückzugehen, wenn die Bedingungen stimmen", warnt Hanson Ghandi Tamfu. Es müsse Sicherheit und eine einigermaßen funktionierende Infrastruktur mit intakten Krankenhäusern, Apotheken und Märkte geben. "Wir alle wissen, dass das nicht der Fall ist. Deshalb raten wir dazu, lieber weiter zu warten."

Allerdings: Die Binnenflüchtlinge bekommen nur wenig Aufmerksamkeit. Als etwa im Norden Malis im Frühjahr 2012 rund 200.000 Menschen vertrieben wurden, ging ein Aufschrei durch die internationale Gemeinschaft. In Haiti sei es ähnlich gewesen, so Stephanie Daviot. "Aber über die Krise in Nigeria wird gar nicht erst diskutiert."

 


Quelle:
KNA