Muslime protestieren bundesweit gegen Hass und Extremismus

Der barmherzige Koran

Die Gewalt der IS-Terroristen macht Muslime in Deutschland wütend. "Diese Barbaren" zögen den islamischen Glauben durch den Dreck, sagt Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime zum muslimischen Protesttag gegen Extremismus.

Freitagsgebet (dpa)
Freitagsgebet / ( dpa )

domradio.de: Die Kundgebungen sollen unter anderem ein Zeichen gegen den Missbrauch der Religion sein. Damit ist zum Beispiel der Terror der Miliz Islamischer Staat gemeint und deren "Kampf für den Islam". Wie gehen Sie in den muslimischen Verbänden damit um, diskutieren die einzelnen Mitglieder darüber?

Aiman Mazyek (Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland): Es gibt darüber keine Frage, dass das ein Missbrauch der Religion ist und dass diese Terroristen, diese Barbaren unseren Glauben in den Dreck ziehen und den Muslimen weltweit schaden. Es gibt durchaus eine Diskussion, dass die Trennschärfe zwischen den mehrheitlich friedlichen Muslimen und den Terroristen kaum noch sichtbar ist, wenn man manche Medienberichte und Aussagen hört. Es gibt schon eine Stimmung in unserem Land, die nicht gut ist und deswegen stehen wir am Freitag auf und sagen, was unsere Position ist: Was sind unsere Werte, was hat der Prophet zur Gewalt gesagt, was hat er zu den anderen Religionsgemeinschaften gesagt, was sagt der Koran zur Barmherzigkeit und vieles mehr.

domradio.de: Schauen wir nochmal auf den so genannten "Islamischen Staat", können Sie sich erklären, warum gerade junge Menschen - auch manche, die hier in Deutschland oder Europa aufgewachsen sind - so radikal werden?

Mazyek: Es sind nicht DIE muslimischen Jugendlichen, sondern das ist ein ganz kleiner Bruchteil. Uns ist aber bewusst, jeder einzelne ist einer zu viel. Solche Menschen kommen sehr oft, das haben Untersuchungen gezeigt, aus sehr instabilen familiären-sozialen Milieus, die meisten gar nicht aus einem religiösen, schon gar nicht muslimischen Kontext. Sie suchen irgendwo Halt und suchen nach einfachen Antworten und finden das in der Dialektik: Wir sind die Guten, die anderen sind die Bösen oder religiös falsch verstanden: Wir sind die Gläubigen, das sind die Ungläubigen. Diese Position wird dann noch einmal genährt durch das Internet. Rekrutierer versuchen die Hartgesottenen unter denen ausfindig zu machen und sie werden dann verheizt für Kriege in Syrien und anderswo.

domradio.de: Was können denn die einzelnen muslimischen Gemeinden tun, um einer solchen Radikalisierung entgegenzuwirken?

Mazyek: Wir machen schon seit Jahren vieles, deswegen haben wir ja die friedliche Mehrheit der Muslime. Das ist ja kein Zufall, sondern ein Ergebnis der Moscheegemeinden, die tagtäglich solche Arbeiten leisten, aber meist ohne das entsprechende Scheinwerferlicht. Wir brauchen ein Klima, was uns Muslimen ein Stück weit zutraut, sich mit solchen Sachen auch auseinanderzusetzen. Die meisten der radikalisierten Leute kommen schon gar nicht in die Gemeinden, aber dennoch gibt es den ein oder anderen, der sich "verirrt" und den kann man dann schon wieder zurückgewinnen. Das Problem ist aber durch die medialen Auseinandersetzungen und fehlende Trennschärfe erleben wir, dass die Angst der Gemeinden, sich mit solchen Leuten auseinanderzusetzen, größer ist, als die Angst solche Menschen zu verlieren. Da muss auch gesamtgesellschaftliche Verantwortung her. Das sind unsere deutschen Jungs, die leider diesen falschen Weg gehen. Es sind nicht nur "die Muslime".

Das Interview führte Hilde Regeniter


Aiman Mazyek (dpa)
Aiman Mazyek / ( dpa )
Quelle:
DR