Über tausend Muslime demonstrieren gegen Islam-Video

"Ja zu Toleranz und Dialog"

In deutschen Städten haben am Samstag mehr als tausend Muslime friedlich gegen das umstrittene islamfeindliche Video sowie gegen Mohammed-Karikaturen demonstriert. In Dortmund kamen nach Polizeiangaben rund 1.500 Muslime zusammen. Sie protestierten "gegen die Beleidigung des Propheten" und forderten auf Plakaten und Flugblättern unter anderem "Nein zu Gewalt", "Ja zu Toleranz und Dialog zwischen den Religionen".

 (DR)

Unterdessen warnte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), vor einer öffentlichen Aufführung des Mohammed-Videos. "Denjenigen, die das vorhaben, geht es ja nicht um die Kunst- oder die Meinungsfreiheit. Sie wollen die öffentliche Ordnung stören", sagte Böhmer der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".



Auch Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel forderte ein Verbot der Ausstrahlung des islamfeindlichen Mohammed-Videos in Deutschland. "So einen Film darf man nicht zeigen. Wir sollten nicht zusätzlich Öl ins Feuer gießen", sagte der FDP-Politiker der "Bild"-Zeitung (Samstagsausgabe). Er sei zwar ein Freund der Meinungsfreiheit, wisse aber, dass diese Grenzen habe. "Derjenige, der sich in dieser Frage auf grenzenlose Meinungsfreiheit beruft, hat keine Ahnung, welche Konflikte dadurch noch provoziert werden können", so Niebel.



Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte die Demonstrationen: "Dieses Video ist eine fürchterliche Verhöhnung der islamischen Religion und aus meiner Sicht völlig indiskutabel", sagte Herrmann am Samstag in München dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er könne jeden gut verstehen, der sich darüber aufregt.



Gewalt in Pakistan

Während die Proteste in Deutschland friedlich blieben, wird aus Pakistan eine erschreckende Schadensbilanz gemeldet: Nach den verheerenden Ausschreitungen mit 15 Toten und Hunderten Verletzten hat die Polizei mindestens 130 Menschen festgenommen, wie pakistanische Medien am Samstag berichteten. Die Regierung hatte am Freitag zu friedlichen Protesten gegen den Anti-Islam-Film aufgerufen, doch statt dessen zog ein aufgebrachter Mob plündernd und brandschatzend durch die Großstädte Peshawar, Karachi, Lahore und Islamabad und zerstörte Läden, Kinos, Tankstellen, Banken, öffentliche Gebäude und Autos. Insgesamt entstand ein Schaden in Millionenhöhe.



Die Proteste gegen das Anti-Islam-Video in der islamischen Welt sind nach Ansicht des indisch-britischen Autors Salman Rushdie (65) "kein spontaner Ausbruch religiöser Rage, sondern orchestriert und manipuliert". Mittlerweile habe sich in diesen Ländern "eine Wutindustrie etabliert, die eigentlich gar nichts mit Religion zu tun hat", sagte Rushdie dem Münchner Nachrichtenmagazin "Focus". Der Protest habe eine identitätsstiftende Funktion: "Die Menschen definieren sich über die Dinge, die sie hassen, nicht über das, was sie lieben. Das ist ein wachsendes Problem: Dass Menschen glauben, sie müssten wütend sein, um zu wissen, wer sie sind."



Die Konflikte um das Mohammed-Video dienen nach Ansicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, Rechtsextremisten wie auch extremistischen Muslimen. Bei der Analyse der Auseinandersetzungen müsse immer nach den Nutznießern gefragt werden, sagte Mazyek am Samstag in Bonn. "Die Profiteure sind nicht der Islam und die Muslime", betonte der Zentralrats-Vorsitzende bei einer zweitägigen Fachtagung der Evangelischen Akademie im Rheinland zum Salafismus.



Am Freitag waren Proteste gegen das Anti-Islam-Video in deutschen Städten friedlich verlaufen. Rund 850 Menschen versammelten sich am Nachmittag in Freiburg. Im westfälischen Münster zählte die Polizei am Abend etwa 200 Demonstranten. In Cuxhaven kamen rund 100 Menschen zu einer Kundgebung zusammen, während ein Demonstrationsaufruf in Hannover ins Leere lief.