Bundesregierung will Blasphemie-Paragraf nicht verschärfen

Eine Frage des Anstands

Die Debatte über Konsequenzen aus dem Mohammed-Video dreht sich immer mehr um die Frage, ob Blasphemie in der Öffentlichkeit juristisch stärker geahndet werden sollte. Eine gesetzliche Verschärfung des Blasphemie-Paragrafen des Strafgesetzbuches schloss Regierungssprecher Seibert aus. Auch Kapuzinermönch Bruder Paulus Terwitte hält dies nicht für nötig. Ausreichend sei eine Öffentlichkeit mit Anstand.

Bruder Paulus: Solche Menschen müssen unmöglich gemacht werden (DR)
Bruder Paulus: Solche Menschen müssen unmöglich gemacht werden / ( DR )

Die in den USA gedrehte Low-Budget-Produktion "Die Unschuld der Muslime" stellt den Religionsstifter Mohammed als sexuell und moralisch verkommene Figur dar, die auch vor Morden nicht zurückschreckt. Seit Tagen reißen in der islamischen Welt die gewalttätigen Proteste gegen den Film nicht ab. Zahlreiche Menschen kamen dabei ums Leben.



Der Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), ist für einen schärferen strafrechtlichen Schutz religiöser Bekenntnisse. Ein bereits im Jahr 2000 von der Union eingebrachter und damals gescheiterter Entwurf zur Reform des Paragrafen 166 im Strafgesetzbuch habe eine dramatische Aktualität, sagte Singhammer gegenüber domradio.de. Der Gesetzgeber müsse "jetzt handeln, um den Frieden in unserem Land zu sichern". Nach dem damaligen Text soll die öffentliche Beschimpfung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses strafbar sein. Bislang ist ausschlaggebend, ob der öffentliche Frieden gefährdet ist.



Für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist die Verletzung religiöser Gefühle nicht durch die im Grundgesetz verbrieften Freiheitsrechte gedeckt. "Ich fordere mehr Respekt auch vor religiösen Gefühlen von Menschen", sagte Friedrich dem Sender N24 in Berlin. Strafverschärfungen wie Singhammer verlangte er jedoch nicht.



Auch Kapuzinerpater Bruder Paulus Terwitte hat sich gegen eine Verschärfung der Gesetze ausgesprochen. Gegenüber domradio.de betonte er, es brauche vielmehr eine "interessierte Öffentlichkeit, die darüber nachdenkt, was sich gehört und was nicht." Es sei eine Frage von Anstand, nicht von Gesetzen, keinen Spott mit den heiligsten Dingen anderer Menschen zu treiben. Solche Menschen müssten "unmöglich gemacht werden". Er glaube, dazu "haben wir die moralische und gesellschaftliche Kraft in Deutschland".



Bischof Norbert Trelle fordert mehr Rücksicht auf religiöse Empfindsamkeiten

Im Zuge der internationalen Proteste gegen einen Mohammedfilm fordert der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle mehr Respekt vor religiösen Empfindungen. "Man darf nicht die Freiheit der Meinungsäußerung oder die Freiheit der Kunst und Satire über das stellen, was einem Menschen im Tiefsten heilig ist", mahnt Trelle. Der Hildesheimer Bischof, der auch Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz ist, sieht das religiöse Empfinden von Muslimen durch den Mohammedfilm "auf eine schmähliche Weise" missachtet. "Ich kann nachempfinden, dass man das so nicht akzeptieren kann", sagte er in einem Interview mit der Bernward-Mediengesellschaft. Der Grat zwischen der Freiheit der Kunst, der freien Meinungsäußerung und dem Schutzraum, in dem Menschen sich und ihre Würde verletzt sehen können, wenn sie beleidigt werden in dem, was ihnen heilig ist, sei sehr schmal.



In jeder Religion gibt es nach Trelles Überzeugung bestimmte Symbole oder Personen, die einen Schutzraum brauchen, damit das Miteinander nicht zerstört wird. Der Bischof bittet darum die Meinungsführer in allen Religionen, "dass sie sich immer wieder darauf besinnen, die Würde des anderen und die Rechte des anderen" zu achten. "Diese Würde des anderen und seine Empfindsamkeit sind für mich Grundwerte im Miteinander."



Westerwelle: Strengere Gesetze nicht erforderlich

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte, strengere Gesetze gegen Gotteslästerung seien nicht erforderlich. "Wir haben eine klare Rechtsordnung", so der Minister im ZDF. Die Verunglimpfung von Andersgläubigen sei im Strafrecht bereits "zu Recht untersagt". Zuvor hatte bereits Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) strengere Vorschriften gegen Gotteslästerung ausgeschlossen.



Deutliche Ablehnung dazu kam auch von den Grünen. Gläubige bräuchten nicht mehr strafrechtlichen Schutz als andere Gruppen, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Volker Beck. Der Paragraf 166 sei bereits in seiner jetzigen Form ein "Fremdkörper in einem freiheitlich-säkularen Wertesystem". Anstatt den Paragrafen zu verschärfen, "sollte er besser abgeschafft werden".



Aus Sicht von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sollten Religionen und ihre Symbole nicht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit verächtlich gemacht werden können. "Religion ist für viele Menschen Fundament ihres Lebens", sagte Kauder der "BILD"-Zeitung (Mittwoch).



Zollitsch: Schmerzgrenze überschritten

Nach Meinung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, wird in Deutschland zu häufig mit der Verhöhnung von Religionen "die Schmerzgrenze überschritten". Zur Meinungsfreiheit gehöre auch die Achtung vor anderen Bekenntnissen, sagte er der "BILD"-Zeitung. Der Islam müsse sich von jeder Form des Fundamentalismus und Gewalt lossagen. Zollitsch hob den Einsatz von Christen für den Frieden zwischen den Religionen hervor. Toleranz müsse aber auch der Islam zeigen.



Die Soziologin und Islamkritikerin Necla Kelek warnte in der "Welt" vor zu viel ängstlicher Konfliktvermeidung gegenüber fanatisierten Muslimen. Die Menschen im Westen könnten nicht zu denken aufhören, um ja keine Islamisten zu provozieren. Die eigentliche Provokation für die islamische Welt seien der Erfolg und die Freiheit des Westens.



Inzwischen hat der ägyptische Islam-Minister, Scheich Talaat Afifi, die Gewalt gegen westliche Botschaften verurteilt. "Wir sollten unsere Religion verteidigen, aber ohne Mord, ohne Gewalt", sagte er der am Donnerstag erscheinenden Wochenzeitung "Die Zeit". "Nirgendwo in der Scharia steht, dass wir Botschafter töten, Fahnen verbrennen oder Gebäude stürmen sollen."