Erneute Debatte über den Umgang mit Gotteslästerung

Eine Ansichtssache

Das Drehbuch ist immer das gleiche: In den westlichen Ländern wird eine islamkritische Karikatur oder ein geschmackloses Video unters Volk gebracht - und schon brennt es in der islamischen Welt. Radikale Muslime interpretieren das Ereignis als Angriff des Westens auf ihre Kultur und Religion.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Ganz anders im Westen: Dort verursacht die Beleidigung der Religion oder religiöser Autoritäten höchstens ein paar Schlagzeilen. Das Papst-Titelbild des "Titanic"-Magazins wurde zwar vor Gericht per Einstweiliger Anordnung gestoppt, dann aber - nach dem Rückzieher des Vatikan - von der Zeitschrift sogar als großes Poster weiterverbreitet. Und in Kassel entfernte ein Künstler in diesem Sommer eine Jesus-Karikatur nur deshalb von der Fassade des Kulturbahnhofs, weil er von der Blasphemie-Debatte genervt war.



In vielen, vor allem in muslimischen Staaten ist Gotteslästerung eine Straftat. In manchen kann sie mit dem Tod bestraft werden, etwa in Saudi-Arabien, Pakistan, Afghanistan oder dem Iran. Dabei sehen fundamentalistische Gruppen oft bereits Dinge als Blasphemie an, die in westlichen Staaten durch Religions-, Meinungs- und Redefreiheit geschützt sind: etwa den Wechsel zu einer anderen Religion, Atheismus oder eine Verhöhnung religiöser Symbole und Lehrsätze. Der Blasphemie-Vorwurf dient auch dazu, eigene religiöse Machtansprüche zu markieren. In Pakistan etwa kehrt sich der Vorwurf der Gotteslästerung immer wieder gegen Christen und liberalere islamische Glaubensrichtungen, die eingeschüchtert werden sollen.



Auch die jüdisch-christliche Tradition kennt den Tatbestand der Gotteslästerung; heißt es doch in den Zehn Geboten: "Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren". Gesetze, die bis hin zur Todesstrafe gingen, gab es auch hier. Allerdings, darauf hat der Dresdner Historiker Gerd Schwerhoff am Montag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) aufmerksam gemacht, waren über Jahrhunderte blasphemische Flüche und Schwüre wie "Himmel Herrgott Sakrament" Teil des Alltags. Auch zwischen den Konfessionen wurden Konflikte häufig über blasphemische Äußerungen und Lästerungen ausgetragen - bis hin zu Luthers Satz, der Papst sei "des Teufels Sau".



"Gott braucht nicht geschützt zu werden. Er ist es, der schützt"

Mit dem Zeitalter der Aufklärung veränderte sich die westliche Vorstellung von Blasphemie, wie der Philosoph Robert Spaemann im Juli in der FAZ analysierte: "Im alttestamentlichen Judentum ebenso wie im heutigen Islam geht es um die Ehre Gottes", schreibt er. "Gott als höchster Gesetzgeber wird durch Übertretung seiner Gebote beleidigt. Diese Beleidigung muss geahndet werden, und zwar, wo es direkt um die Person Gottes geht, durch die höchste Strafe, das heißt die Todesstrafe." Anders dagegen das Verständnis im westlichen, vom Christentum geprägten Staat: "Gott braucht nicht geschützt zu werden. Er ist es, der schützt. Geschützt werden aber müssen Menschen (...), die an Gott glauben", erläutert der Philosoph.



Allerdings: In Deutschland ist das Blasphemieverbot im Zuge der Strafrechtsreform der sozial-liberalen Koalition 1969 stark abgemildert worden. Seitdem ist die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen nach Paragraf 166 nur dann strafbar, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Für Spaemann steht deshalb fest: "Nur noch die mohammedanische Religion genießt den Schutz des Gesetzes, nicht die christliche". Denn Christen reagieren auf Beleidigung nicht mit Gewalt, Muslime aber wohl."



Spaemann, aber auch manche katholischen Bischöfe fordern deshalb erneut einen besseren rechtlichen Schutz der Religion. Der Staat, so die Begründung des 85-jährigen Philosophen, dürfe nicht zulassen, dass das, was religiösen Bürgern das Heiligste sei, "ungestraft öffentlich verhöhnt, lächerlich gemacht und mit Schmutzkübeln übergossen werden darf". Und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick erklärte, wer "die Seele der Gläubigen mit Spott und Hohn verletzt, der muss in die Schranken gewiesen und gegebenenfalls auch bestraft werden".