Debatte um Kauder-Äußerung zum Islam

Vorwurf der "Effekthascherei"

Die Äußerung von Unions-Fraktionschef Volker Kauder, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, sorgt weiter für Diskussionen. Der Vorsitzende des Zentralrat der Muslime mit Sitz in Köln, Aiman Mazyek, nannte die Worte des CDU-Politikers "schädlich für das Zusammenleben". Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger widersprach Kauder. Rückendeckung erhielt der Fraktionschef dagegen vom CSU-Innenexperten im Bundestag, Hans-Peter Uhl.

 (DR)

Leutheusser-Schnarrenberger sagte der Tageszeitung "Die Welt" (Freitagsausgabe): "Der Islam ist eine der Religionen, die in Deutschland ausgelebt werden." Deshalb gehöre der Islam "natürlich zu Deutschland".



Mazyek sagte der "Passauer Neuen Presse" (Freitagsausgabe), die Äußerungen Kauders seien historisch nicht richtig. Hier gehe es um Schlagzeilen und "Effekthascherei", nicht um substanzielle Politik: "Weltoffenheit wird anders buchstabiert."



Der Zentralrats-Vorsitzende befürchtet, dass Kauders Äußerungen "in rechtsextremen Kreisen als Aufmunterung und Bestätigung uminterpretiert werden". Schon jetzt würden viele Moscheegemeinden Alarm schlagen und von zunehmenden Übergriffen und Anschläge berichten. "Die Islamfeindlichkeit in Deutschland ist in den letzten Jahren stark gewachsen."



"Keine Einladung zur Integration"

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagte über Kauders Äußerung: "Jeder darf Schwachsinn erzählen in diesem Land. In der Demokratie ist das möglich." Kauder müsse wohl noch vieles nachlesen, was die Bundespräsidenten Wulff und Joachim Gauck zum Islam in Deutschland gesagt hätten.



Der Islamrats-Vorsitzende Ali Kizilkaya nannte die Äußerungen "sehr bedauerlich". "Wer den Islam nicht als Teil Deutschlands sieht, der grenzt ihn aus", sagte er der Nachrichtenagentur dapd. Die Haltung von Kauder sei "keine Einladung zur Integration".



Widerspruch kam auch von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). "Wir sind in dieser Frage mittlerweile schon viel weiter", sagte Böhmer der "Rhein-Zeitung" (Freitagausgabe). Sie fügte hinzu: "Wenn wir noch in 20 Jahren darüber reden, ob der Islam zu Deutschland gehört, dann hat das doch mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun." In Deutschland lebten vier Millionen Muslime.



Auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende und hessische Ministerpräsident, Volker Bouffier, sieht den Islam als einen Teil Deutschlands an. Natürlich sei er "kein Teil unserer Geschichte und Tradition". Im Unterschied zu dem Unionsfraktionschef fügte Bouffier jedoch hinzu: "Aber er gehört zu uns und unserer Zukunft." Der Islam sei "ein Stück Realität", das dürfe man weder ignorieren noch überhöhen, sagte der CDU-Politiker während seines Türkei-Besuchs der Nachrichtenagentur dapd.



Opposition wirft Kauder "Kulturkampf" vor

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann bezeichnete Kauder als "letzten Kreuzritter der Union". Der CDU-Politiker sorge damit für eine "Abwertung und Ausgrenzung aller Muslime in Deutschland" und lege überdies einen Sprengsatz in die Islamkonferenz.



Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir bezeichnete es als "absurd", zu behaupten, Muslime gehörten zu Deutschland, der Islam aber nicht. "Volker Kauder macht einen auf Kulturkampf, um dem gebeutelten konservativen Teil der Union zu signalisieren: Wir haben euch nicht vergessen." Er fügte hinzu: "Vermutlich denkt Herr Kauder auch, die Frauenbewegung gehöre nicht zu Deutschland, Frauen aber schon."



Abendländliche Leitkultur

Der CSU-Politiker Uhl verteidigt Kauder hingegen. "Die Leitkultur ist abendländisch, christlich und jüdisch", sagte er der "Welt".

Einige muslimische Verbandsvertreter wollten einen kulturellen Machtkampf inszenieren und die hiesige Werteordnung umdeuten. "Wenn Verbandsvertreter möchten, dass der Staat etwa bei Zwangsverheiratungen wegschaut, dann ist das ein kultureller Machtkampf", sagte Uhl. Dieser Kampf müsse ausgetragen werden.



Auch der bayerische Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) verteidigt Kauder. An Kauders Äußerung sei jedes Wort richtig, sagte Kreuzer. Zur Kritik aus der Türkischen Gemeinde sagte er: "Die entgleisenden Äußerungen Kenan Kolats sind erkennbarer Ausdruck der Distanz des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland zur christlich-abendländisch geprägten Werteordnung in der Bundesrepublik."



Kauder hatte in der "Passauer Neuen Presse" vom Donnerstag der Aussage des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff widersprochen, der Islam sei ein Teil von Deutschland, und gesagt: "Der Islam ist nicht Teil unserer Tradition und Identität in Deutschland und gehört somit nicht zu Deutschland." Aber Muslime gehörten zu Deutschland, sagte Kauder. Die Worte des CDU-Politikers hatten für Diskussionen am Rande der Tagung der Deutschen Islamkonferenz am Donnerstag gesorgt.