Neuer CIBEDO-Chef über christlich-islamischen Dialog

Noch viel Potenzial

Seit mehr als 30 Jahren prägt die Bischöfliche Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle, CIBEDO, den Dialog zwischen Katholiken und Muslimen. Nun hat die Frankfurter Einrichtung mit Timo Güzelmansur einen neuen Leiter, der selbst aus einem islamischen Land stammt.

 (DR)

KNA: Herr Güzelmansur, Christen aus der Türkei sind selten, christliche Theologen erst recht. Wie kamen Sie zum Christentum?

Güzelmansur: Ursprünglich komme ich aus einer alawitischen Familie in Antakya, dem biblischen Antiochien, im Süden der Türkei. 1994 lernte ich katholische Christen in meiner Heimat kennen und befasste mich intensiv mit ihrem Glauben. Das Christentum überzeugte mich und 1997 ließ ich mich schließlich taufen.



KNA: Waren das missionierende Katholiken? Kamen sie aus dem Ausland?

Güzelmansur: Dazu möchte ich lieber nichts Genaueres sagen. Sonst wüssten einige schnell, wer gemeint ist. Die Betreffenden könnten Probleme bekommen.



KNA: Ihre Meinung über Toleranz und Religionsfreiheit in der Türkei ist offenbar nicht allzu hoch.

Güzelmansur: Auf diesem Feld bleibt noch einiges zu tun. Aber meine Aufgabe liegt jetzt in Deutschland.



KNA: Das diplomatische Geschick dafür bringen Sie anscheinend mit.

An welchem Punkt sehen Sie derzeit den christlich-islamischen Dialog?

Güzelmansur: In den 35 Jahren seit Bestehen der CIBEDO ist ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Christen und Muslimen gewachsen. Wir haben viele Erfahrungen gesammelt. Ich denke aber, dass wir besonders im theologischen Dialog und im konkreten religiösen Austausch unser Potenzial noch nicht ausgeschöpft haben.



KNA: Derzeit entstehen an mehreren Universitäten Seminare für islamische Theologie. Werden sie das Gespräch auf dieser Ebene verbessern? Schließlich gibt es auch Befürchtungen, dass dort vor allem eine streng orthodoxe Koranauslegung gelehrt wird.

Güzelmansur: Grundsätzlich ist es gut, dass solche Studienzentren entstehen. Ich hoffe, dass sie die Qualität der interreligiösen Diskussionen heben. Dass die Ausbildung der islamischen Theologen auf Deutsch geschieht, erleichtert sicherlich das spätere Gespräch. Aber wir müssen abwarten, welche Impulse die Muslime selbst setzen.



KNA: Das heißt?

Güzelmansur: Ob sie vor allem die traditionelle islamische Ausbildung wollen, wie sie auch in Kairo oder Istanbul stattfinden könnte, oder ob sie den Standort Deutschland als Chance sehen, um einen besonderen Dialogschwerpunkt einzubauen. Da haben die Beiräte eine Verantwortung, diese Chance richtig wahrzunehmen, denn sie bestimmen im Wesentlichen über Lehrpersonal und -inhalte. Oberstes Ziel sollte dabei sein, gläubigen Menschen zu helfen, sich in einer pluralistischen Moderne zurechtzufinden.



KNA: Derzeit plädiert mancher dafür, dass Muslime in Deutschland ihre Rechtsangelegenheiten nach der Scharia regeln dürfen, zum Beispiel im Familienrecht, sofern deutsche Rechtsgrundsätze nicht dagegen sprechen. Halten Sie das für vernünftig?

Güzelmansur: In Deutschland haben wir einen sehr gut funktionierenden Rechtsstaat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mehrheit der hier lebenden Muslime von diesem Vorschlag begeistert ist.



KNA: Gibt es hoffnungsvolle Ansätze für eine moderne islamische Theologie?

Güzelmansur: An den Lehrstätten in der islamischen Welt dominiert der Traditionalismus. Zumindest gibt es aber offenbar mehr denn je Bedarf für neue Ansätze. Der "Arabische Frühling" hat gezeigt, dass viele und hauptsächlich junge Menschen sich nicht mehr mit einer Gesellschaftsordnung abfinden wollten, die sich allzu oft auf ein restriktives Islamverständnis berufen hat. Wohlgemerkt ist es kein Aufstand gegen den Islam. Vielleicht profitieren die Traditionalisten sogar davon, vielleicht verändert sie die gesellschaftliche Dynamik aber auch. In Ägypten haben gemäßigte und radikalere Islamisten erst einmal die Wahlen gewonnen. Ich denke, es ist noch nicht absehbar, wohin die Karawane zieht.



KNA: Glauben Sie, dass Ihre türkische Herkunft das Gespräch mit Muslimen leichter macht, oder rechnen Sie als Konvertit mit Misstrauen?

Güzelmansur: Wenn man sieht, wie oft bloße Sprach- und Kommunikationsschwierigkeiten den Dialog zwischen den Religionen erschweren, dann ist meine ethnische Herkunft auf jeden Fall ein Vorteil. Meine bisherigen Erfahrungen sind ausgezeichnet und ich denke nicht, dass sich das ändern wird.



KNA: Messen Muslime nicht oft mit zweierlei Maß, indem sie selbst volle Religionsfreiheit fordern, während etwa Christen in muslimischen Ländern häufig diskriminiert und schikaniert werden?

Güzelmansur: Diese Wahrnehmung drängt sich manchmal auf. Die Kirche hat dazu eine klare Haltung: Sie setzt sich für das uneingeschränkte Recht von Muslimen ein, ihre Religion frei auszuüben. Gegenüber muslimischen Gesprächspartnern, die Einfluss auf die Situation in islamischen Ländern haben, betont sie aber auch, dass religiöse Minderheiten dort dieselben Rechte genießen müssen. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass in einem Land wie Saudi-Arabien eine Million Christen leben, die keinen Gottesdienst feiern dürfen. Ähnliche Missstände gibt es auch in weniger traditionellen islamischen Staaten. Wo die Verpflichtung zur Toleranz nur ein Lippenbekenntnis ist, müssen wir das bei Muslimen auch klar ansprechen.



Das Gespräch führte Christoph Schmidt.