Dialogbeauftragter des Kölner Erzbistums über den Umgang mit islamistischen Provokationen

Bildung und Dialog

Die selbst ernannte Wuppertaler "Scharia-Polizei" hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Dr. Thomas Lemmen, Experte für christlich-islamischen Dialog beim Erzbistum Köln,  über den richtigen Umgang mit islamistischen Provokationen.

"Scharia-Polizei" (dpa)
"Scharia-Polizei" / ( dpa )

domradio.de: Was bezweckten die Wuppertaler Salafisten mit ihrer Aktion?

Dr. Thomas Lemmen: Die Salafisten verstehen es natürlich, die Öffentlichkeit für ihre Themen zu gewinnen. Jede Aktion, die sie machen, ist für sie auch ein öffentlicher Gewinn und eine symbolische Handlung, weil sie damit zeigen, dass sie sich für islamische Verhaltensweisen und Regeln in unserer Gesellschaft einsetzen. Von daher: Leider ein voller Punktgewinn für die Salafisten.

domradio.de: Haben solche Aktionen denn Chancen auf Erfolg? Gefordert wird ja ein Verzicht auf Alkohol, Nikotin, Musik und Tanzveranstaltungen.

Lemmen: Es ist ja vollkommen legitim, wenn jemand für sich solche Verhaltensweisen definiert. Jeder hat das Recht, so zu handeln. Aber diesen Anspruch in die Öffentlichkeit zu tragen und zu versuchen ihn durchzusetzen, ist gegen geltendes Recht und muss verboten werden. Der Haupteffekt zielte bei dieser Aktion darauf, Menschen von einer in ihren Augen islamgemäßen Lebensweise zu überzeugen. Es gibt sicherlich auch Leute, die das anspricht.

domradio.de: Wenn man an Meldungen denkt aus dem Irak und Syrien, wo Christen von Islamisten verfolgt werden, wächst da eine Gefahr auch für Christen hier in Deutschland?

Lemmen: Wenn geltendes Recht gebrochen oder sogar Gewalt angewendet wird, dann ist das durchaus gefährlich. Es ist ja auch in Deutschland schon zu Ausschreitungen gekommen zwischen Jesiden und Salafisten.

domradio.de: Die "Scharia-Polizei" sah sich selbst als ein Ordnungsamt in den Straßen. Wie kann man denn auf so etwas angemessen reagieren? Wie können auch die Kirchen angemessen reagieren?

Lemmen: Der Staat kann, wie geschehen, ordnungsrechtliche Maßnahmen einleiten. Die islamischen Organisationen selbst können darauf reagieren, und das haben sie auch getan. Sie haben betont, dass das, was in Wuppertal geschehen ist, nicht ihren Vorstellungen des Islams entspreche. Es sei nicht Aufgabe einzelner Muslime, bestimmte Regeln durchzusetzen und sich an die Stelle der Polizei zu setzen. Die Kirche kann mit Bildungsarbeit reagieren: Was ist Islam, was ist Salafismus, was ist Islamismus? Und natürlich, indem der Dialog mit denen gefördert wird, die sich anders positionieren. Mit denen, die sagen: "Wir sind Muslime, aber mit Salafismus haben wir nichts zu tun."

domradio.de: Erwarten Sie von den muslimischen Verbänden schärfere Verurteilungen?

Lemmen: Ich erwarte eine stärkere Beteiligung der muslimischen Verbände an den Aussteigerprogrammen und an den Präventionsmaßnahmen. Da kann man nicht sagen, es sei nur Aufgabe des Staates. Das ist Aufgabe auch der muslimischen Organisationen, insbesondere auch der größten, der DITIB hier in Köln. Die DITIB sollte ihre Verantwortung aktiver wahrnehmen, als sie das bisher getan hat.

domradio.de: Das Problem mit den Salafisten und anderen Islamisten scheint in NRW besonders virulent. Woran liegt das?

Lemmen: Das hat häufig mit den Protagonisten zu tun, das sind oft charismatische Personen, die sich in bestimmten Moscheen niederlassen und von dort aus ihre Wirkungskreise entfalten. Dort, wo solche Prediger sind, hat man dann gleich auch eine Szene von Salafisten. Die wohnen nicht unbedingt alle dort. Es gibt einige Orte in NRW, z.B. Bonn, Wuppertal, Solingen aber auch Köln, wo Einzelpersonen eine solche Tätigkeit entfalten. Dadurch wird dann oft der Anschein einer größeren Ansammlung erweckt, es sind aber eher einzelne Personen.

domradio.de: Leidet das Verhältnis von Christen und Muslimen unter solchen Vorkommnissen?

Lemmen: Christen und Muslime, die im Dialog miteinander sind, oder auch im Dialog mit der Gesellschaft, lassen sich von so etwas kaum beeinträchtigen. Sie arbeiten intensiv zusammen. Gestern fand z.B. in Köln-Mülheim eine gemeinsame Friedenswache von Christen und Muslimen statt. Aber, diejenigen, die nicht in solchen Prozessen beteiligt sind, die werden natürlich verunsichert.

Das Interview führte Mathias Friebe.


Quelle:
DR