Eine Fortbildung zur Friedensbotin oder zum Friedensboten

"Es geht auch ohne Gewalt"

Es ist oft eine alltägliche Situation - man ist anderer Meinung und schon wird einer aggressiv. Die christlich-muslimische Friedensinitiative Deutschland startet eine Fortbildung zur Friedensbotin oder zum Friedensboten. Denn es kann auch ohne Gewalt gehen.

Konflikte friedlich lösen / © SewCream (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wir erleben es fast täglich: Wer anderer Meinung ist, der wird schnell unpersönlich und es spuken dazu noch jede Menge Klischees in den Köpfen herum. Zum Beispiel über Muslime, die gerne als potentielle Terroristen und Frauenverachter dargestellt werden. Oder Christen, die als weltfremde, fromme Schafe gesehen werden, die sich nicht wehren. Die christlich-muslimische Friedensinitiative Deutschlands startet am kommenden Samstag eine Fortbildung zur Friedensbotin und zum Friedensboten in Köln. Eva-Maria Willkomm hatte die Initialidee für diese besondere Weiterbildung. Was macht man denn eigentlich als ausgebildeter Friedensbote oder Friedensbotin?

Eva-Maria Willkomm (Mitglied der christlich-muslimischen Friedensinitiative Deutschlands): Wenn man diese Ausbildung machen will, dann ist man, wenn es klappt und wenn man dafür geeignet ist, in der Lage, Konflikte zwischen MuslimInnen und ChristInnen oder auch andersartigen religiösen Menschen zu schlichten oder einzugreifen und sich anders zu verhalten als stumm zu sein oder mit Aggressionen zu reagieren, sondern in einen Dialog zu gehen oder verschiedene andere Methoden zu überlegen. Wie kann ich in dieser Situation mit den Menschen umgehen? Das wollen wir in dieser Fortbildung ausprobieren und mit den Teilnehmenden einüben.

DOMRADIO.DE: Was war denn die Erfahrung, bei der Sie gesagt haben: Das brauchen wir auf jeden Fall, das brauchen wir auch professioneller, als dass sich da einfach jemand hinstellt und versucht zu schlichten?

Willkomm: Wir haben diese Initiative schon 2018 gegründet, aus verschiedenen Friedensorganisationen, christlichen und muslimischen. Wir haben immer zusammengesessen und uns überlegt, wie wir auf Anschläge, auf Diskriminierungen und dergleichen reagieren können. Das lief ganz gut, aber mit der Zeit reichte uns das nicht. Dann haben wir gesagt, dass wir jetzt gerne eine Fortbildung machen wollen und den Menschen auch Handwerkszeug an die Hand geben. Wie gehe ich in solchen Situationen damit um?

Wir haben uns ein Beispiel an dem Imam und dem Pastor genommen. Das sind zwei Menschen aus Karduna in Nigeria, die im Bürgerkrieg miteinander gekämpft und sich dann aber als Freunde zusammengetan haben und in einem sogenannten gemischt religiösen Tandem dort in Nigeria Friedensarbeit machen. Irgendwie fanden wir diese Idee ziemlich gut und dachten, das müsste doch bei uns auch gehen.

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekommen bestimmtes Handwerkszeug an die Hand, um ein friedliches Miteinander zu entwickeln und Vorurteile und Diskriminierung entgegenzuwirken. Was ist das für ein Handwerkszeug, was sie da lernen?

Willkomm: Wir machen es so, dass wir uns am Anfang natürlich erst einmal kennenlernen. Ein ganz wichtiges Handwerkszeug ist Vertrauen. Wir müssen einander vertrauen. Wir müssen Vorurteile erst einmal unter uns abbauen. Was sind das eigentlich für Menschen, die in dem Kurs sind? Wir müssen eine Gruppe werden. Wir haben 14 ganz kompetente Referentinnen, die für uns Referate halten und die uns mitnehmen in die Fragen: Wie geht Dialog und Begegnung? Wie ist das Konfliktpotenzial der Religionen? Könnte das auch eine Quelle für Frieden sein?

Wir machen ganz praktische Dinge wie zum Beispiel, Kommunikation, Konflikt und Mediation. Da üben wir ein, wie wir in einem Konflikt miteinander umgehen. Vor allen Dingen ist Mediation eine Konfliktbearbeitungsform, bei der eine dritte Person versucht, zwischen zwei Konfliktparteien zu schlichten. Das wird direkt ausprobiert. Man sitzt zu dritt miteinander und jede Person ist eine Konfliktpartei und eine dritte Person ist ein Mediator oder Mediatorin. Hinterher wird dann überlegt, was man davon gut gebrauchen kann und was nicht so gut ist.

Wir machen dann auch noch ein Handlungs- und Argumentationstraining zum Umgang mit strittigen Situationen und Diskriminierung, wo wir auch ganz praktisch ausprobieren, wie man reagiert, wenn man angefeindet wird. Wenn man zum Beispiel als Muslima das Problem hat, dass Menschen einem sagen, warum man denn mit einem Kopftuch herumläuft und ob der Vater einen unterdrückt.

DOMRADIO.DE: Gibt es da Strategien, die man den Leuten dann direkt mit an die Hand gibt? Also wie würde ich mich jetzt zum Beispiel positionieren, wenn ich eine Muslima wäre und mich jemand so angeht?

Willkomm: Das muss natürlich ein bisschen auch zu der jeweiligen Person passen. Wenn die Person eher schüchtern ist, muss man gucken, wie sie es schaffen kann, sich zu trauen und so viel Selbstwertgefühl zu haben, zu der anderen Person zu sagen: "Also weißt du, deine Hose, die du an hast, gefällt mir auch überhaupt nicht." Ein mutigerer Mensch oder jemand der anders tickt, könnte die Person vielleicht auch ansprechen und sagen: "Ich würde gerne mal mit dir darüber reden, was für mich das Kopftuch bedeutet" oder: "Ich möchte gerne von dir wissen, warum du dich so kleidest, wie du dich kleidest? Warum hast du zum Beispiel eine riesengroße Brille?" Oder was auch immer. Also einfach in den Kontakt gehen mit den Menschen und nicht aggressiv werden, wenn sich das machen lässt.

Das müssen wir üben. Denn es ist ja nicht einfach, wenn es Unterstellungen gibt und Menschen diskriminiert werden, dann sind sie meistens entweder stumm oder aggressiv. Jedenfalls ist das die Beobachtung, die wir machen. Man kann üben, miteinander in einen Dialog zu gehen und man kann die andere Person fragen, wie es auf sie gewirkt hat. Dann versuche ich es nochmal anders. Wir haben ganz gute Erfahrungen in unseren gewaltfreien Trainings gemacht. Es geht auch ohne Gewalt und es geht sehr gut.

Das Interview führte Gerald Mayer.


Quelle:
DR