Wie es um den christlich-islamischen Dialog steht

"Das ist wie bei der Echternacher Springprozession"

Muslime und der Islam gehören längst zu Deutschland. Aber wie steht es inzwischen um den christlich-islamischen Dialog? Experte Thomas Lemmen zieht im Interview einen ungewöhnlichen Vergleich und warnt vor allem vor Vorurteilen.

Junge Frau mit Mundschutz und Kopftuch / © Dharma Photo (shutterstock)
Junge Frau mit Mundschutz und Kopftuch / © Dharma Photo ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Vor nun zehn Jahren sagte der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff "Der Islam gehört zu Deutschland". Kürzlich in einem Interview sagte er, er halte diesen Satz jetzt, wegen zunehmender rechtsextremistischer Tendenzen in der Gesellschaft für notwendiger denn je. Was sagen Sie?

Prof. Dr. Thomas Lemmen (Leiter des Referats Interreligiöser Dialog im Erzbistum Köln): Auch wenn das Grundgesetz eigentlich die Frage nicht zulässt, welche Religion zu Deutschland gehört oder nicht, ist die Aussage von Christian Wulff dennoch sehr wichtig. Damit kommt eine Haltung der Gesellschaft zum Ausdruck, dass Muslime ein Teil von uns sind und nicht außerhalb stehen.

DOMRADIO.DE: Das Erzbistum Köln ist Mitveranstalter einer Online-Tagung an diesem Dienstag zum Stand des christlich-islamischen Dialogs. Inzwischen kann der interreligiöse Dialog auf eine jahrzehntelange Geschichte zurückblicken, vor allem in Köln. Wie nehmen Sie das wahr? Ist es gerade eine schwierige Phase im Zusammenspiel zwischen Christen und Muslimen?

Lemmen: Das ist so wie bei der Echternacher Springprozession. Es geht mal ein Stück vor, mal ein Stück zurück. Das hat weniger mit den Menschen zu tun, die im Dialog sind, sondern mit politischen Ereignissen, die in der ganzen Welt stattfinden und die wie Wellen zu uns herüberschwappen. Der christlich-islamische Dialog hat in Köln eine lange Tradition. Viele Personen und Institutionen pflegen diesen Dialog. Aber natürlich gibt es immer wieder zeitgeschichtliche Ereignisse, die uns das Leben schwer machen.

DOMRADIO.DE: Viele Muslime leben schon lange in Deutschland. Sie sind deutsche Staatsbürger. Wir treffen sie bei der Arbeit, täglich in der Schule, im Verein. Das Miteinander funktioniert in den meisten Fällen sehr gut. Sind es gerade diese politischen Ereignisse, die Sie eben auch beschrieben haben, die dann diese interreligiösen Beziehungen immer wieder auf die Probe stellen?

Lemmen: Politische Ereignisse sind das Eine. Die zunehmende Ausländerfeindlichkeit und rechtspopulistische Tendenzen, die Feindbilder konstruieren, gehören allerdings auch dazu. Und dann ist der Islam eines dieser willkommenen Feindbilder. Wir müssen Vorurteile abarbeiten, bevor wir wirklich an Sachfragen, die uns voranbringen, weiterarbeiten können.

DOMRADIO.DE: Was sind das für Fragen? Was erhoffen Sie sich für die Zukunft?

Lemmen: Die gemeinsame Verantwortung in sozial-ethischen Themen, so wie es auch der Papst mit seiner neuen Enzyklika angesprochen hat, ist wichtig. Wir als Partner und Partnerinnen müssen uns den Herausforderungen der Gesellschaft stellen. Die Zusammenarbeit in gesellschaftlichen Fragen der Notfallseelsorge ist da ein Beispiel. Das ist so ein Projekt, in dem Christen und Muslime zusammenarbeiten, um Menschen in Not beizustehen. Wir müssen aus unserem Glauben heraus deutlich machen, dass das, was uns verbindet, wichtig ist und dass wir auch mit dem, was uns unterscheidet, gut umgehen können. Wir sollten uns nicht instrumentalisieren lassen und uns nicht gegeneinander aufbringen.

DOMRADIO.DE: Die Online-Tagung zum christlich-islamischen Miteinander ist hochkarätig besetzt. Wer ist dabei?

Lemmen: Weihbischof Rolf Steinhäuser, er ist der Bischofsvikar für Ökumene und interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln, Bekir Altaş, der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş, einer großen islamischen Organisation und Professor Josef Freise von der Katholischen Hochschule in Köln, um nur einige zu nennen.

DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich von der Veranstaltung?

Lemmen: Wir erhoffen uns einen Rückblick auf das, was wir erreicht haben, und einen Ausblick auf das, was wir noch erreichen wollen. Wir erhoffen uns auch eine Stärkung und eine Motivation der Vielen, die im Dialog tätig sind, und ein Zeichen, das andere erreicht, die noch nicht so sehr für dieses Thema aufgeschlossen sind.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Thomas Lemmen / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Lemmen / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR