Eine neue Synagoge für Konstanz

"Bauen für die Ewigkeit"

Das geplante Konstanzer Gemeindezentrum ist Zeugnis des jüdischen Lebens am Bodensee. Im Frühjahr soll das Fünf-Millionen-Euro-Projekt fertig sein. Bis auf Baden-Baden werden dann alle jüdischen Gemeinden in Baden-Württemberg wieder eine eigene Synagoge haben.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Ein Gerüst steht vor dem Rohbau der jüdischen Synagoge in Konstanz / © Patrick Seeger (DR)
Ein Gerüst steht vor dem Rohbau der jüdischen Synagoge in Konstanz / © Patrick Seeger ( DR )

Wo vor 80 Jahren Konstanzer SS-Schergen das jüdische Gotteshaus anzündeten und mit Sprengstoff dem Erdboden gleichmachten, entsteht jetzt Neues: "Wir haben so lange darauf hin gearbeitet, jetzt sind wir endlich auf der Zielgeraden", sagt Peter Stiefel, Vorsitzender der Synagogengemeinde Konstanz. Mitten im Baustellenchaos lässt er den Blick durch den Gebetsraum schweifen. Noch ist ein kahler Betonrohbau. Doch die der hohe, helle Raum mit großer Kuppel spürt schon jetzt Würde aus. In wenigen Monaten sollen Synagoge und Gemeindezentrum eingeweiht werden. Und zum neuen Mittelpunkt des jüdischen Lebens am Bodensee werden. 300 Mitglieder hat die südlichste jüdische Gemeinde Baden-Württembergs. Zuletzt Ulm und Rottweil, jetzt Konstanz.

Das vor allem nach der Zuwanderung aus den ehemaligen Sowjetstaaten zahlenmäßig erstarkte Judentum eröffnet nun auch im Südwesten neue Synagogen."Die Planungen für den Neubau in Baden-Baden laufen, dann werden wir in allen Gemeinden wieder eine Synagoge haben", sagt der Vorsitzende des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman. Rund 8.000 Frauen und Männer gehören landesweit zu den Gemeinden. "Froh stimmt uns, dass es in den vergangenen Jahren auch gelungen ist, junge Juden in unsere Gemeinden einzubeziehen", so Suliman. "Das ist unsere Zukunft."

Wachsende Unsicherheit unter den Gemeindemitgliedern

Gleichzeitig berichteten ihm viele von einem wachsenden Gefühl der Unsicherheit auch im Südwesten. Nach Angaben des Innenministeriums gab es 2017 landesweit knapp 100 antisemitische Straftaten. In Heilbronn wurde ein öffentlich aufgestellter Chanukka-Leuchter zerstört, in Ulm die neue Synagoge beschädigt. "Einige Gemeindemitglieder wollen nicht mehr als Juden erkannt werden und beispielsweise keine Briefe erhalten, die den Davidstern auf dem Umschlag haben", sagt Suliman. Umso dankbarer sei der Oberrat für die "gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit der Landesregierung.

Überwunden ist die Diskussion um die Höhe der Landeszuschüsse. Sehr zufrieden ist die Religionsgemeinschaft mit der Berufung des neuen Antisemitismusbeauftragten der Landesregierung: "Michael Blume ist durch seine Erfahrungen und Vernetzung der richtige Mann an der richtigen Stelle", so Suliman. Auch Gemeindevorstand Stiefel hat Angst vor Antisemitismus, etwa durch "Import-Antisemitismus" von Flüchtlingen aus muslimischen Ländern. Doch die Vorfreude auf das neue Gemeindezentrum in der Altstadt, wenige Meter von der 1938 zerstörten Synagoge entfernt, überwiegt.

Komplizierte Baustelle

Die Stadt stellte der Gemeinde das Grundstück zur Verfügung. Das mittelalterliche Fachwerkhaus "Zum Anker" wurde in Teilen erhalten und mit dem modernen Synagogenneubau verbunden. Eine komplizierte Baustelle, um mittelalterliches Fachwerk zu erhalten und gleichzeitig funktionale Räume zu schaffen. "Eine Synagoge baut man für die Ewigkeit", sagt Stiefel.

Dabei hätte alles schon früher fertig sein können: Jahrelang gab es innerjüdische Differenzen zwischen liberalen und orthodoxen Strömungen. Unter Druck und Vermittlung des Oberrats wurde schließlich eine "Einheitsgemeinde" gegründet. Auch wenn damit nicht alle einverstanden waren. Minia Joneck etwa, die 2015 einen liberalen jüdischen Verein gründete. "Wir konnten uns nicht eingliedern, weil die Orthodoxen beispielsweise Frauen nicht die gleichen Rechte einräumen wie Männer", so die Sprecherin des Vereins mit nach ihren Angaben 60 Mitglieder. Gemeindevorstand Stiefel weist die Vorwürfe zurück. Er verteidigt aber zugleich, dass in der neuen Synagoge Frauen und Männer getrennt beten. Männer unten, Frauen oben auf der Empore. "Aber auch liberale Gruppen werden bei uns Gottesdienste feiern können. Sie bekommen einen eigenen Raum und nachher können wir gemeinsam zusammen sitzen", so Stiefel. Ob alle der Einladung folgen, ist offen. "Wir werden uns sicher nicht in einen Mini-Raum abschieben lassen", sagt Joneck, die auf eigenen Büroräumen besteht. Ganz abgerissen ist der Gesprächsfaden nicht. Und die Debatten sind keine Konstanzer Spezialität - aktuell ringt auch die jüdische Community in Freiburg um mehr Gemeinsamkeiten zwischen Liberalen und Orthodoxen. Auch hier mit offenem Ausgang.


Quelle:
KNA