Caritas international würdigt Miteinander der Religionen in Jordanien

Zusammen an der Belastungsgrenze

Koptenpapst Tawadros II. scherzt mit Prinz Ghazi bin Muhammad an der Taufstelle Jesu. In Jordanien scheint es zu klappen: Christen und Muslime leben friedlich nebeneinander.

Kopten-Papst Tawadros II. (Mitte) lacht mit dem jordanischen Prinzen Ghazi bin Muhammad (l) / © Jamal Nasrallah (dpa)
Kopten-Papst Tawadros II. (Mitte) lacht mit dem jordanischen Prinzen Ghazi bin Muhammad (l) / © Jamal Nasrallah ( dpa )

domradio.de: Wie haben Sie als Vertreterin eines katholischen Hilfswerks das Miteinander der Religionen in Jordanien erlebt?

Stephanie Binder (Caritas international): Dieses Miteinander habe ich vor allem anhand der Arbeit der Caritas erlebt. Die Christen sind in Jordanien ja eine kleine Minderheit; nur ungefähr 2 Prozent der 6,5 Millionen Einwohner sind Christen. Sie haben aber eine sehr gute Stellung, zum Beispiel sind 9 der 110 Parlamentssitze für Christen vorgesehen. Auch Caritas international arbeitet vor Ort gut mit Caritas Jordanien zusammen. Sie leisten Hilfe nach humanitärem Prinzip – also unabhängig von Religion, Herkunft und Geschlecht. Ausschlaggebend ist immer die Not der Menschen. Die nationale Caritas ist über Jahrzehnte gewachsen und hat ein sehr gutes Verhältnis zum jordanischen Königshaus und der Regierung, das macht die Arbeit natürlich leichter. Wir haben muslimische Mitarbeiter, viele muslimische Ehrenamtliche, natürlich auch muslimische Hilfsempfänger.    

domradio.de: Die Caritas als christliche Organisation findet also gute Unterstützung durch das muslimische Königshaus. - Haben Sie denn einen Erklärungsansatz dafür, dass das interreligiöse Zusammenleben hier offenbar so viel besser läuft als in anderen arabischen Ländern?

Binder: Ich denke, das gute interreligiöse Zusammenleben ist auch bedingt durch das gute Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Erst kamen Palästinenser nach Jordanien, später im ersten Golfkrieg und nach 2003 irakische Flüchtlinge, zuletzt Syrer. Und all diese Menschen leben sehr friedlich zusammen. Im Vergleich zum Libanon muss man sagen, dass es in Jordanien eine konstitutionelle Monarchie gibt – und damit eine gewisse politische Stabilität. Im Libanon ist das viel komplizierter, dort gibt es 18 anerkannte Religionsgemeinschaften, viele davon mischen auch in der Politik mit. Das hängt mit dem Bürgerkrieg zusammen und das macht das System in gewisser Weise fragil; es kommt immer wieder zu politischen Auseinandersetzungen innerhalb dieser Gruppierungen, die immer auch Eigeninteressen verfolgen. Das ist in Jordanien anders, weil da ein stabileres System im Hintergrund ist.

domradio.de: Das heißt, wir haben es hier mit einem gewachsenen Miteinander zu tun?

Binder: So habe ich das wahrgenommen. Der Präsident der Caritas Jordanien hat mir auch gesagt, dass es in Jordanien seit jeher viel Austausch mit den Nachbarländern gibt. So ist zum Beispiel schon vor dem Konflikt ein Großteil von Downtown-Amman, also dem Geschäftsviertel der Hauptstadt, in syrischer Hand gewesen. Da haben syrische Geschäftsleute investiert, es gibt viele Mischehen. Außerdem sind 50 Prozent der Jordanier palästinensischer Abstammung. Jordanien ist also schon seit langer Zeit ein "Melting Pot".       

domradio.de: In Sachen Flüchtlingshilfe leistet Jordanien sehr viel. Hatten Sie den Eindruck, dass das Land den Herausforderungen noch gewachsen ist?

Binder: Jordanien und die anderen Nachbarländer Syriens beherbergen ja den Großteil der Bürgerkriegsflüchtlinge – und sie sind mittlerweile an ihrer Belastungsgrenze angelangt. In Jordanien  gibt es über 650.000 Flüchtlinge, im Libanon sind es über eine Million, in der Türkei 2,5 Millionen. Das ist für die Gastgeber natürlich keine einfache Situation. Wir dürfen nicht die wirtschaftlichen Folgen vergessen, die diese Krise für die Jordanier mit sich bringt. Die Mieten steigen, die Dinge des täglichen Bedarfs werden teurer. Rund 40 Prozent der Jordanier leben selbst in Armut. Deshalb begünstigen wir in unseren Caritas International-Projekten auch immer 30 Prozent Jordanier. Es ist uns wichtig, da einen Ausgleich zu schaffen. Natürlich ist es für die Mitarbeiter vor Ort eine enorme Belastung. Sie arbeiten nicht nur in dieser Krise, sondern sie leben diese Krise, viele schon seit mittlerweile fünf Jahren.     

domradio.de: Der koptische Papst hat gerade erst das Miteinander von Christen und Muslimen gelobt – würden Sie dem beipflichten?

Binder: Ja, dem würde ich nach meinen Eindrücken beipflichten. Ich habe vorher im Libanon gelebt. Auch im Gegensatz dazu habe ich in der einen Woche Jordanien ein gutes Zusammenleben der Religionen erlebt.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR