Paul Hinder über ein Bistum ohne einheimische Christen

Als Bischof in Arabien

Paul Hinder ist der Bischof von Arabien und lebt in Abu Dhabi. Eine Stadt, in der das Leben für Christen schwierig ist - es sind alles Migranten. Aber auch Europa warnt er vor einem Verlust der religiös-kulturellen Vergangenheit.

Papst Franziskus empfängt Paul Hinder im September 2020 im Vatikan.  / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus empfängt Paul Hinder im September 2020 im Vatikan. / © Romano Siciliani ( KNA )

domradio.de: Sie sind seit 2003 am Golf und leiten dort eines der größten Bistümer der Welt. Was ist das für ein Bistum?

Bischof Paul Hinder: Ich bin dort hingekommen, weil das ganze Gebiet dem Kapuzinerorden unterstellt ist. Und das schon seit dem Beginn der neueren Mission, Die Kapuziner stellen seit mittlerweile 150 Jahren die Bischöfe. Und die Beschaffenheit des Bistums ist ein Apostolisches Vikariat. Länderübergreifend ist eine Besonderheit, dass wir keine einheimischen Christen haben, sondern alle Migranten sind. Abgesehen von nur ganz wenigen Bürgern von Jemen. Aber alle anderen sind sogenannte Ausländer.

domradio.de: Der Jemen gehört dazu. Saudi Arabien auch?

Bischof Hinder: Nein, nicht mehr. Seit 2011 sind Saudi Arabien, Katar und Bahrain dem Apostolischen Vikar in Kuweit zugeteilt, um eine bessere Verteilung des Gebietes zu haben. Und ich verbleibe jetzt mit dem Süden, mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, mit dem Oman und Jemen. 

domradio.de: Dort gibt es keine völlige Religionsfreiheit, d.h. Christen dürfen ihren Glauben nicht ausleben. Bis auf Saudi Arabien gibt es aber überall christliche Kirchen, ist das richtig?

Bischof Hinder: Ja, in den Vereinigten Arabischen Emiraten führen wir beinahe ein normales Leben, abgesehen davon, dass wir zu wenig Platz haben. Und im Oman ebenfalls, da haben wir vier Pfarreien. Im Jemen ist die Situation wegen des Krieges kritisch. Es gibt keine Sicherheit mehr und die Zahl der Christen ist geschrumpft, weil die meisten Ausländer das Land verlassen mussten.

domradio.de: Wie klappt das christlich-muslimische Miteinander? Im Jemen gab es ja einen Zwischenfall, dort wurden sogar Nonnen ermordet. Wie funktioniert der Dialog dort?

Bischof Hinder: Generell ist das Verhältnis eigentlich gut. Ich meine, es gibt natürlich innerhalb der muslimischen Welt überall solche Gruppen, die radikalisiert sind und von denen man nie weiß, was da eben kommen kann. Wie jetzt in dem sehr tragischen Fall, den wir erlebt haben in Aden. Wo die Al-Qaida-Ableger und der IS-Ableger im Untergrund arbeiten. Das ist aber nicht überall der Fall. In den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Beispiel. Da kann ich mich bewegen, ohne Angst und in Sicherheit. Dasselbe ist auch in Oman der Fall. Nach Jemen kann ich im Moment wegen der Kriegssituation nicht gehen.

domradio.de: Das heißt, der interreligiöse Dialog funktioniert. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass weder die Christen noch die Muslime ein Exklusivitätsanspruch stellen und die andere Religion neben der eigenen gelten lassen, oder?

Bischof Hinder: Ja, wobei das natürlich eben insofern beschränkt gilt, weil nach der Gesetzeslage in diesen Ländern Muslime nicht Christen werden, Christen aber sehr wohl zum Islam konvertieren dürfen. Das wissen wir und deswegen müssen wir auch unsere Leute so gut wie möglich bei der Stange halten. Wir sagen ihnen, dass sie verantwortlich sind für ihr eigenes Lebens- und Glaubenszeugnis. Die Gesetze des Islams können wir ja nicht ändern, wir können nur darauf hinarbeiten, dass das, was wir unter Religionsfreiheit verstehen, mit der Zeit auch im islamischen Raum Schule macht.

domradio.de: Sie haben gesagt, das Problem in Europa sei auch, dass wir eine zu große Lauheit haben. Wie haben sie das gemeint?

Bischof Hinder: Es genügt, in die Landschaft zu blicken. Ich verstehe, dass nicht alle Leute jeden Tag oder jeden Sonntag in die Kirche gehen. Aber der Rückgang der religiösen Praxis hat natürlich langfristig Konsequenzen, weil damit ein Teil des religiösen Gedächtnisses verloren geht. Und das kann man ja jetzt schon feststellen, wenn man mit den jungen Leuten redet, wo sich oft das Wissen um die kulturelle, religiöse Vergangenheit auf ein Minimum beschränkt. Und das wird Konsequenzen haben in der nächsten Generation, was zum Teil auch jetzt schon sichtbar ist.

domradio.de: Wie sieht es aus mit der Zukunft des interreligiösen Dialogs am Golf, gibt es da eine Weiterentwicklung?

Bischof Hinder: Der Dialog geht sicher weiter. Ob und wie es eine Entspannung gibt in dieser Hinsicht, das wissen wir einfach nicht. Ich bin kein Prophet. Das wird auch abhängig sein von kulturellen und politischen Entwicklungen, von der Kriegssituation usw. Ich kann hier keine Prognose geben. Ich erfahre einfach im Fall von den Vereinigten Arabischen Emiraten, dass dieser Austausch recht gut funktioniert.

Das Interview führte Johannes Schröer.

 

Quelle:
DR