Kurdische Gemeinde über Newroz-Fest

Politischer Frühling

Trotz der Terrorangst hat in der Kurdenmetropole Diyarbakir die zentrale Feier zum kurdischen Neujahrsfest Newroz begonnen. Worum es bei dem Fest geht, erklärt Mehmet Tanriverdi aus der kurdischen Gemeinde Deutschland.

Eine kurdische Demonstrantin feiert Newroz / © Alexander Körner (dpa)
Eine kurdische Demonstrantin feiert Newroz / © Alexander Körner ( dpa )

domradio.de: Warum feiert man in der kurdischen Kultur denn ausgerechten jetzt das Neujahrsfest? Hat das etwas mit einem kurdischen Kalender zu tun?

Mehmet Tanriverdi (Stellvertretender Vorsitzender der kurdischen Gemeinde Deutschland): Ja, in der Tat. Newroz heißt "neuer Tag", "neuer Beginn". Der 21. März ist der Beginn des Frühlings, auch wenn in Deutschland der Frühling noch nicht überall zu spüren ist. Für Kurden ist das ein uraltes Fest, es ist rund 2600 Jahre alt und nicht religiös.

Das Fest der Kurden ist viel mehr als nur die Freude über den Frühlingsbeginn, das Fest ist Wille zum Widerstand gegen Unterdrückung und Barbarei. Das ist auch historisch belegt. Newroz ist die Hoffnung auf Demokratie und Anerkennung, was die Kurden ja gerne haben möchten. Newroz ist der Wunsch nach Frieden und Freiheit. Dieses Fest feiern Kurden weltweit, im Nahen Osten in ihrer Heimat, aber auch außerhalb.

domradio.de: Das heißt es geht auch um Politik, darf es denn dann auch überall gefeiert werden? Zum Beispiel auch in der Türkei?

Tanriverdi: Das Newroz-Fest war vor ein paar Jahren noch in der Türkei verboten, jetzt darf es beschränkt gefeiert werden. Viele Newroz-Kundgebungen wurden damals in kurdischen Städten unter anderem auch in Diyarbakir verboten.

domradio.de: Das heißt zurzeit ist die Lage in der Türkei, aber auch anderswo nicht gerade rosig für die Kurden. Friedensgespräche gibt es seit längerem nicht mehr. Die türkische Luftwaffe fliegt Angriffe gegen die PKK. Die kurdische Minderheit ist insgesamt unterdrückt. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Tanriverdi: Es herrscht Bürgerkrieg. Die Türkei bombardiert innerhalb der türkischen Grenzen kurdische Dörfer und Städte. Die Altstadt von Diyarbakir ist zum Teil sehr zerstört, die Stadt Cizre ist zum Teil zerstört, mehr als 90 Prozent der Bewohner sind aus Cizre geflohen. In den letzten sechs Monaten sind mehr als eine halbe Million Kurden innerhalb der Türkei auf der Flucht, das heißt die Türkei produziert selbst Flüchtlinge.

Wenn man Bezug nimmt auf die Flüchtlinge in der Türkei beziehungsweise die Verhandlungen zwischen EU und Türkei, dann ist die Türkei eigentlich nicht Lösung für die Flüchtlinge, sondern die Türkei produziert selbst Flüchtlinge außerhalb der türkischen Staatsgrenze durch das Vorgehen des türkischen Militärs gegen Kurden.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR