Synagogen-Gemeinde erinnert an Reichspogromnacht

Angst vor neuer Judenfeindlichkeit

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland viele Synagogen. Abraham Lehrer von der Synagogen-Gemeinde Köln erzählt im domradio.de-Interview von den neuen Ängsten seiner Gemeindemitglieder. Auch vor Gruppen wie Pegida.

10. November in Deutschland (dpa)
10. November in Deutschland / ( dpa )

domradio.de:  Vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge in der Kölner Roonstraße von den Nazis in der Reichspogromnacht verwüstet. Im Moment treten rechte Gruppen immer wieder geballt gegen Flüchtlinge auf - macht Ihnen das Angst?

Abraham Lehrer (Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln): Sicherlich fühlen sich unsere Mitglieder durch die Aufmärsche von Rechten und durch einzelne Vorkommnisse auf Pegida-Demonstrationen schon ein bisschen verängstigt und verunsichert. Wir haben natürlich auch den ein oder anderen Gedanken, dass bei dieser großen Menge an Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, junge Menschen dabei sind, die in einem totalitären System aufgewachsen sind, unter dem der Staat Israel der "Erzfeind" ist. Aber jetzt sind wir hier nicht in Israel, das muss uns nicht so sehr berühren. Aber auch das Judentum oder jüdische Menschen sind zum Teil als Schweine bezeichnet worden. Deswegen machen wir uns natürlich auch Gedanken, wie es sein wird, wenn eine entsprechende Anzahl von jungen Menschen nach Deutschland und nach Köln kommt, die unter diesem Aspekt groß geworden sind. Auch da gibt es Bedenken und Sorgen von Gemeindemitgliedern. Aber wir sind absolut nicht dafür, dass die Grenzen geschlossen werden. Wir stützen die These: Asyl kennt keine Obergrenze.

domradio.de: Wie gedenkt die jüdische Gemeinde der Pogromnacht?

Lehrer: Wir haben unsere traditionelle Veranstaltung zum 9. November, die wir gemeinsam mit der Stadt Köln und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ausrichten. Wir haben vor einigen Jahren auch begonnen, uns zunächst einmal Gedanken darüber zu machen, wie wir die Gedenkveranstaltung so gestalten können, dass sie auch in Zukunft den entsprechenden Zulauf von vor allem jungen Menschen bekommt. Wir haben vor einiger Zeit die Entscheidung getroffen, dass wir nicht nur die traditionellen Reden vom Oberbürgermeister, zukünftig von einer Oberbürgermeisterin, haben werden, sondern dass wir auch Schulen und Jugendinstitutionen einzubinden versuchen und während der traditionellen Feierstunde auftreten zu lassen, um es für die Jugend interessant zu machen. Wir versuchen mit neuen Wegen, das Gedenken hochzuhalten.

domradio.de: Können auch Nicht-Juden daran teilnehmen?

Lehrer: Es ist eine Veranstaltung, die sich fast vorrangig an unsere nichtjüdische Umwelt richtet. Es kommen zahlreiche Gemeindemitglieder, aber der überwiegende Teil sind nichtjüdische Menschen hier aus Köln. Alle Konfessionen sind Vertreter, auch Muslime kommen zu dieser Gedenkveranstaltung.

Das Interview führte Dagmar Peters


Abraham Lehrer von der Kölner Synagogen-Gemeinde / ©  Maurizio Gambarini (dpa)
Abraham Lehrer von der Kölner Synagogen-Gemeinde / © Maurizio Gambarini ( dpa )
Quelle:
DR