Drei Tage stand Worms im Zeichen des interreligiösen Dialogs

Der Koran schätzt auch die Anhänger Jesu

Mit den Wormser Religionsgesprächen knüpfen Stadt und evangelische Kirche an eine über 450 Jahre alte Tradition an. Schon im 16. Jahrhundert hatten Katholiken und Protestanten am Rhein versucht, ihre Spaltung zu überwinden.

Autor/in:
Karsten Packeiser
Luther-Denkmal in Worms / © worms.de
Luther-Denkmal in Worms / © worms.de

Im ersten Moment wirkt es etwas befremdlich, als der junge Vorbeter der örtlichen Milli-Görüs-Gemeinde beginnt, unterhalb des Altars der Dreifaltigkeitskirche auf Arabisch aus dem Koran zu rezitieren. Kurz darauf liest der Pastor der afrikanischen Gemeinde die Apostelgeschichte auf Französisch vor und anschließend singt die bunte, 80-köpfige Gemeinde ein geistliches Lied in der Sprache der südafrikanischen Xhosa, die mit ihren Schnalz- und Klicklauten allen Anwesenden gleichermaßen fremd ist. Das interreligiöse Gebet ist eine von etlichen Veranstaltungen der Wormser Religionsgespräche.

Mit erheblichem Aufwand hatten sich die Stadt Worms und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau darangemacht, an eine Tradition aus dem 16. Jahrhundert anzuknüpfen. Zum Auftakt war Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) angereist. Ein umfangreicher Studientag thematisierte islamischen Religionsunterricht, interreligiöse Gebete oder den Moscheebau in Deutschland. Zum Abschluss des dreitägigen Treffens gab es schließlich das eigentliche Wormser Religionsgespräch.

Prominent besetztes Podium

Das Podium ist prominent besetzt, unter anderem mit Kardinal Lehmann und dem braunschweigischen evangelischen Landesbischof Friedrich Weber. Bei gedimmtem Licht sitzen Theologen und Wissenschaftler auf der Bühne des Theatersaals im Wormser Kultur- und Tagungszentrum und wollen ins Gespräch über die Notwendigkeit und die Grenzen der Toleranz kommen.

Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide erntet mit einem energischen Statement Beifall, bei dem er den Absolutheitsanspruch des Islam vom Tisch wischt. "Gott interessiert sich nicht für Überschriften", stellt er fest. Wie sich ein Gläubiger nenne, sei doch zweitrangig, zumal schon der Koran Religionsvater Abraham ebenso wie die Anhänger Jesu als Muslime bezeichne.

Dem Dialog abgeneigt ist keine Glaubensgemeinschaft, so viel machen alle schnell klar. ZDF-Moderatorin Gundula Gause fragt nach islamischem Terror, der katholischen Sicht auf die Ökumene und der Kirchenferne vieler Protestanten, aber eine echte Debatte entwickelt sich auf dem Wormser Podium nur in Ansätzen. Eher hört es sich so an, als ob alle Teilnehmer aneinander vorbei sprechen. Allerdings hatte das Publikum im gut besetzten Tagungszentrum nach 90 Minuten wohl auch keine interreligiöse Antwort auf alle ewigen Menschheitsfragen wie dem Weg zum Seelenheil oder einer für alle Menschen verbindlichen Ethik erhofft.

Regelmäßige Religionsgespräche

Vor über 450 Jahren war das noch etwas anders. Damals hatten sich in Worms Katholiken und Protestanten zusammengesetzt, um darüber zu verhandeln, wie die schmerzhafte Kirchenspaltung überwunden werden könnte. Zwei Anläufe 1541 und 1557 blieben erfolglos - auch, weil sich die Teilnehmer schon vor Beginn der eigentlichen Gespräche heillos über Verfahrensfragen zerstritten. In den folgenden Jahrhunderten waren die Beziehungen der Konfessionen dann eher von Religionskriegen denn von Dialog bestimmt.

Künftig sollen in Worms, wo einst Martin Luther sich auf dem Reichstag weigerte, seine Lehre zu widerrufen, alle zwei Jahre Religionsgespräche stattfinden. In der Stadt selbst ist der Dialog der Religionen ohnehin schon lange Alltag. Muslimische und christliche Gemeinden bereiten seit 13 Jahren schon regelmäßige gemeinsame Gebete vor. "Wir haben schon vor dem 11. September 2001 damit angefangen", sagt Pfarrerin Erika Mohri.

 


Quelle:
epd