In Trier ist Heilig-Rock-Wallfahrt

Küsse, Fäden und Magnete

Seit dem Wochenende ist in Deutschlands ältester Stadt Heilig-Rock-Wallfahrt. Das für dieses Jahrhundert erste derartige Pilgertreffen findet 500 Jahre nach der ersten Heilig-Rock-Wallfahrt überhaupt statt; es endet am 13. Mai. Bis dahin wird mit über einer halben Million Pilger gerechnet. Ein Besuch.

Autor/in:
Peter de Groot
 (DR)

Vor dem Trierer Dom Pilgerstäbe in den Farben Lila, Gelb, Rot und Blau. Es gibt ein Fundbüro und einen "Verlorenen-Treffpunkt". Die City wird mit drei Videokameras überwacht.  Rund 2.200 Helferinnen und Helfer sind im Einsatz. Die Polizei bietet täglich 60 Beamte zusätzlich auf, hat eine "Polizeiwache Heilig-Rock" eingerichtet. Um die City vom Autoverkehr zu entlasten, gibt es ein kostenloses Park&Ride-Angebot. Gastwirte bieten "Pilgerfrühstück", "Wallfahrt Eintopf" und "Pilgerteller" an.



Gemäß alter Überlieferung gilt der Trierer Heilige Rock als das Untergewand, das Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung getragen haben soll. Die ansonsten im Dom aufbewahrte Reliquie wird nur bei Heilig-Rock-Wallfahrten öffentlich gezeigt. Für diesmal in einem mandelförmigen Schrein vor der Altarinsel des Doms. Wie die katholische Kirche heute das einem überlangen T-Shirt ähnelnde Gewand verstanden wissen will, steht auf einem "Info-Turm": "Für Christinnen und Christen steht nicht die Reliquie, nicht das Gewand im Mittelpunkt. Für gläubige Menschen verweist der Heilige Rock auf den, der ihn getragen hat: Jesus Christus."



Rechts und links ziehen Pilger an dem Schrein vorbei. Viele berühren ihn mit der Hand, manche knien nieder, manche küssen ihn. Fotografiert werden darf nicht, am Ausgang gibt es ein Pilgerbild. Melissa (10) aus Paderborn ist schlicht und einfach deshalb nach Trier gekommen, "weil ich den Heiligen Rock sehen wollte". Ihrer Mutter ist der ökumenische Charakter der Wallfahrt "sehr wichtig". Aus England angereist sind Matthew (18) und Simon (17); von Koblenz aus legten sie die letzte Wegstrecke zu Fuß zurück.



Es dominieren die Wallfahrtsfarben Rot und Weiß

Im Trierer Palastgarten das Pilgerzelt: 2.000 Menschen bietet es Platz, es gibt "Ungarischen Rindergoulasch mit Spirellinudeln" oder etwa "Schnitzel Wiener Art mit Bratkartoffeln und Gemüse". Gleich neben dem Dom, untergebracht in einem Zelt, der "Wallfahrtsladen". Hier gibt es nicht nur das von einer chinesischen Schmuckdesign-Studentin entworfene offizielle Pilgerabzeichen. Hier gibt es auch Kerzen, "Pilgerhüte", T-Shirts, Magnete, Henkeltassen, Feuerzeuge, Kugelschreiber und "Wallfahrers Schweißtuch". Es dominieren die Wallfahrtsfarben Rot und Weiß, und fast alles weist das den Konturen des Heiligen Rocks nachempfundene Wallfahrtslogo und das Wallfahrtsmotto auf: "und führe zusammen, was getrennt ist".



Es mögen viele Tausend Menschen sein, die am ersten Wallfahrts-Wochenende den Weg nach Trier gefunden haben. Rund 1.500 Pilger aus dem nahen Luxemburg zum Beispiel, darunter Premier Jean-Claude Juncker, mehr als 500 Priesteramtskandidaten, Ordensleute, Pfarreien - und die Kegelgruppe Zellingen.



In der Trierer Welschnonnenkirche startet eine Aktion "Kauf nix Sonntag". Das Gotteshaus ist für die Zeit der Wallfahrt "Frauenkirche", die Paulus-Kirche "Kirche der Jugend". Die Telefonseelsorge macht täglich ein "Angebot zum stillen Innehalten" bei dem "schlimmen und schwierigen Thema Missbrauch". Im Dom gab es mit Orgelmusik von Olivier Messiaen die erste von vier "DomNächten".



Im Empfangszelt für die Pilger steht ein Webstuhl. Wer möchte, kann hier einen Faden abgeben, aus Wolle, Seide oder auch aus Kunststoff, etwa einen Meter lang, einen vielleicht, der für ihn eine besondere Bedeutung hat. Es sollen unterschiedliche "Lebensfäden" zusammengeführt, zu einem neuen Tuch verknüpft werden. Eine Frau gibt das Hutband ihres erkrankten Mannes ab, eine andere ein Stück Saum vom Brautkleid ihrer Tochter. In eine Kladde hat jemand geschrieben: "Lasse mir einen "roten Faden" einweben, der mich mein ganzes Leben begleitet hat. Hiermit nehme ich Abschied von der Vergangenheit."