Mit wichtigen Dominikanern durch das Jahr

Johannes von Vercelli

Viele Ordensleute waren ihren Zeitgenossen und späteren Generationen eine Inspiration im Glauben. In diesem Jahr übersetzen wir das Denken berühmter Dominikaner in die heutige Zeit, im Dezember: Johannes von Vercelli.

Autor/in:
Kerstin-Marie Berretz OP
Habit eines Dominikaners / © PIGAMA (shutterstock)

Gleich am 1. Dezember feiert die dominikanische Familie das Fest des seligen Johannes von Vercelli. Der selige Johannes mag vielen Menschen unbekannt sein, dennoch kann er heute noch ein Vorbild sein.

In die Nachfolge des Dominikus

Er lebte im 13. Jahrhundert und wurde durch Jordan von Sachsen - den Nachfolger des heiligen Dominikus - dazu inspiriert, in den Dominikanerorden einzutreten. Vorher hatte er bereits Kirchenrecht in Paris studiert. Im Orden selber wurde er 1264 zum sechsten Ordensmeister gewählt und blieb 20 Jahre lang im Amt. Immer wieder ließ er sich von Thomas von Aquin in theologischen Fragen beraten. Als dessen Lehre angegriffen wurde, verteidigte Johannes den Theologen.

Das Leben des seligen Johannes von Vercelli zeigt, dass es gut sein kann, sich nicht zu sehr festzulegen. Zwar war Johannes bereits Magister des Kirchenrechts; aber er hielt daran nicht fest, sondern ließ sich von Jordan von Sachsen so sehr berühren, dass er bereit war, einen neuen Weg einzuschlagen und als Ordensmann die Armut von ganzem Herzen zu bejahen.

Für uns heute kann es bedeuten, dass es immer wieder gut ist, sich selber zu hinterfragen. Hält man aus tiefer Überzeugung an guten Dingen fest? Oder hat man sich vielleicht in etwas verbissen, das einfach nicht gelingen will? Denn auch wenn es sicher richtig ist, nicht vorschnell aufzugeben, ist es doch nötig, sich immer wieder zu fragen, warum man bestimmte Dinge macht. Sind sie noch sinnvoll, oder ist daraus einfach eine Gewohnheit geworden? So kann der selige Johannes dazu ermuntern, das eigene Verhalten zu überprüfen und vielleicht einen Richtungswechsel vorzunehmen.

Über den eigenen Tellerrand schauen

Darüber hinaus zeigt der Ordensmeister, dass man nicht alles selbst wissen kann und muss - nicht einmal dann, wenn man eine wichtige Position innehat. Denn später als Ordensmeister stand der Dominikaner an der Spitze seines Ordens und musste die noch junge Gemeinschaft leiten. Trotzdem zögerte er sich nicht, sich kompetenten Rat einzuholen, wann immer es nötig war.

So können auch wir dazu stehen, dass man nicht alles wissen kann und auch nicht in allen Fragen Experte sein muss. Stattdessen gibt es heute viel bessere Möglichkeiten sich zu vernetzen, um andere um Rat zu fragen und verschiedene Meinungen zu hören. Denn auch das ist eine Fähigkeit des seligen Johannes: die eigene Meinung nicht absolut zu setzen, sondern darauf vertrauen, dass es hilfreich sein kann, auch andere Gedanken zu hören.

So ist es möglich, ein differenziertes Bild in einer bestimmten Angelegenheit entstehen zu lassen und dann ein Urteil zu fällen. Es scheint heute dringlicher denn je, geistig offen und beweglich zu sein und sich nicht nur im eigenen Umfeld zu informieren. Von Johannes von Vercelli können wir lernen, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken.

"Nicht sich selbst als die absolute Mitte zu sehen"

Um dann im nächsten Schritt denen zur Seite zu stehen, die Unterstützung brauchen und mit denen man verbunden ist. Johannes hat Thomas von Aquin verteidigt, als dessen Lehre angegriffen wurde. Denn es ist wichtig, Menschen zu unterstützen, die angegriffen werden. Das können Menschen sein, die man kennt und mit denen man verbunden ist. Das kann aber auch bedeuten, dass man einem Fremden auf der Straße beisteht, der ungerecht angegangen wird.

So kann ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Solidarität entstehen. Und es scheint so, als sei es gerade heute dringend nötig, dass wir uns als eine Gemeinschaft verstehen. Sie kann nur bestehen, wenn wir zusammenhalten.

Auch wenn die Lebenssituation des seligen Johannes von Vercelli anders war als unsere heute, so ist seine Haltung für uns heute vorbildlich und inspirierend. Er zeigt, dass es sich lohnt, nicht sich selbst als die absolute Mitte zu sehen - sondern den, der uns ins Leben gerufen hat. An der Seite Christi kann das Leben fruchtbar werden - auch weit über die eigene Lebensdauer hinaus, so wie bei Johannes. Das kann auch uns heute ermutigen, den Blick zuerst auf Christus zu richten. Denn der Dominikaner zeigt uns: Wer sich selber loslässt, kann mehr gewinnen, als er jemals erwartet hätte.


Sr. Kerstin-Marie Berretz OP (privat)
Sr. Kerstin-Marie Berretz OP / ( privat )
Quelle:
KNA