Zwölf Prominente und ihre Beziehung zum Gebet

Das Vaterunser sprechen, bis der Techniker kommt

Das Beten gehört zum christlichen Glauben. Doch was bewirkt es? Und was macht es aus? Zwölf Prominente geben Antworten.

Autor/in:
Christoph Arens
Mann im Gebet / © Dencoy18 (shutterstock)

"Es versteht sich von selbst, dass ich nicht mit Jeans und offenem Hemd vor Gott trete - weder in der Kirche, noch zu Hause." Wolfgang Grupp, Inhaber des Textilunternehmens Trigema, wahrt auch beim Beten die modische Etikette. Jeden Morgen zieht sich der frühere Schüler des Jesuitenkollegs Sankt Blasien im Schwarzwald in die hauseigene Kapelle unterm Reetdach zurück, um sich zu besinnen, Dank zu sagen und der Verstorbenen seiner Familie zu gedenken.

Der britische Musiker und Komponist Sting, katholisch erzogen, meditiert und betet oft - dabei braucht er nicht die Institution Kirche, um sich "mit dem Spirituellen zu verbinden". "Immer wenn ich Musik spiele, nähere ich mich einem Zustand der spirituellen Erfüllung an. Das ist meine Religion." Allerdings liebt es der Brite, in Kirchen aufzutreten. Gern würde er auch einmal im Kölner Dom oder in Notre Dame spielen, hat er der "Welt am Sonntag" verraten.

Geistliche und das Gebet

Die Zeitung hat zum Osterfest zwölf prominente Männer und Frauen zu ihrem Verständnis vom Beten befragt. Und zeigt dabei, wie unterschiedlich die Herangehensweisen sind. Die beiden Kardinäle Reinhard Marx und Paul Josef Cordes sowie die Franziskanerin Katharina Ganz stützen sich vor allem auf die vorgeschriebenen täglichen Gebetspflichten wie das Stundengebet.

Der emeritierte Kurienkardinal Cordes braucht feste Rituale: "Ich merke an mir, dass ich mich festlegen muss. Wenn ich mich auf meine Spontaneität verlasse, unterbleibt das Gebet." Franziskanerin Ganz betont zugleich das spontane Gebete im Alltag, zwischen Tür und Angel: "vor einer wichtigen Sitzung, vor einer schwierigen Besprechung, wenn ich eine Treppe steige, bevor ich eine Tür öffne...". Für den Münchner Kardinal Reinhard Marx gehört "Beten zu meinem Leben wie Essen und Trinken oder wie Atmen".

Laut oder leise beten

Für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist das Gebet - nach dem Tod seiner Mutter - wieder fester Bestandteil seines Lebens geworden. Tagesschausprecher Constantin Schreiber tut sich dagegen schwer mit der Vorstellung, über Gebete eine Verbindung zu Gott aufzubauen. "Für mich sind Momente der Spiritualität bisher vor allem bestimmte Naturerlebnisse, die ich fernab von der Zivilisation erlebe."

Schriftstellerin Felicitas Hoppe würde sich selbst nicht als stille Beterin bezeichnen. Sie bevorzugt eher das - aus voller Kehle mitgesprochene - gemeinschaftliche Gebet oder den Gesang. Vertraut ist der Büchnerpreisträgerin allerdings das Stoßgebet als Hilferuf oder Bannformel: "Ich bin klaustrophobisch, und wenn ich in einem Fahrstuhl steckenbleibe, hilft nur noch Beten", sagt sie. "Ein Arzt würde sagen: Einatmen, ausatmen, bis Hundert zählen. "Ich dagegen bete das Vaterunser, bis der Techniker kommt."

Gott als Talismann?

Einig sind sich die meisten Befragten: "Das Gebet ist kein Freifahrtschein", wie Söder formuliert. Daher sollte man damit auch keine konkreten Erwartungen an Gott verknüpfen. Und auch Kardinal Marx betont: Gott dürfe nicht als Problemlöser oder Talismann herhalten. Das Gebet öffne den Raum für die Gegenwart Gottes und das Empfinden, "dass ich in seiner Gegenwart lebe".

Für Cordes ist das Gebet etwas sehr Nüchternes: "Vielleicht tut sich bei anderen Betern der Himmel auf, oder sie hören irgendeine Stimme. Mir ist es noch nicht passiert." Es gehe einfach darum, sich angenommen zu fühlen "von einem Du, das uns gut will".

"Wir beleidigen sie auch"

Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, empfindet durchaus, dass er beim Beten eine Antwort von Gott bekommt. Durch Beten könnten sich ausweglos erscheinende Situationen öffnen. Die Gegenwart Gottes könne helfen, über Ratlosigkeit hinauszukommen. "Für andere zu beten hilft, sich in die Schuhe des anderen zu stellen", so der frühere Berliner Bischof. "Wenn ich für andere bete, prägt dies auch mein Verhältnis zu ihnen." Eine solche Verbundenheit sei gerade in Zeiten des Lockdowns wichtig.

Eine für manche gewöhnungsbedürftige Art des Betens beschreibt der italienische Dirigent Riccardo Muti, für den Musizieren wie Beten ist. Die Italiener, so berichtet er, sprächen direkt zu Gott und den Heiligen - wie zu realen Personen und auf Augenhöhe. "Wir beleidigen sie auch."


Quelle:
KNA