In der Prignitz entsteht eine ökumenische Kommunität

Neues geistliches Leben in alten Klostermauern

Einst verrichteten Zisterzienser-Nonnen hier ihr Gebet. Nach dem Krieg war ein Pflegeheim dort untergebracht. Nun bewohnt die alten Klostergebäude eine neue geistliche Gemeinschaft - bunt und ökumenisch.

Autor/in:
Oliver Gierens
Die Klosterkirche Marienfließ / © Oliver Gierens (KNA)
Die Klosterkirche Marienfließ / © Oliver Gierens ( KNA )

In der imposanten Klosterkirche in Marienfließ - einem kleinen Ort in der Prignitz im nordwestlichsten Zipfel von Brandenburg - versammeln sich am Mittag fünf Personen im Chorgestühl, um gemeinsam zu beten. Es ist eine neue ökumenische Kommunität im Entstehen. Im vergangenen Jahr wurde Helmut Kautz im evangelischen Pfarrsprengel Westprignitz zum Pfarrer ernannt. Zusammen mit seiner Ehefrau, ebenfalls evangelische Theologin, übt er noch eine Funktion aus: Als Prior und Priorin des Stiftes Marienfließ haben sie den Auftrag, hier eine neue geistliche Gemeinschaft zu etablieren.

Bunte und vielfältige Kommunität

Keine klassische Ordensgemeinschaft mit strengen Regeln und einheitlicher Kleidung, sondern eine bunte, vielfältige Kommunität soll es sein. Ökumenisch offen nimmt sie Menschen unabhängig von Herkunft oder Alter auf. Ein älteres Ehepaar und ein junger Mann sind bereit eingezogen, eventuell kommt Anfang April eine Familie mit drei Kindern hinzu.

Der Ort scheint dafür ideal: Etwas versteckt in einer weitläufigen Waldlandschaft, direkt am Ufer des Flüsschens Stepenitz, hat die idyllisch gelegene Klosteranlage die Jahrhunderte überdauert. 1231 stiftete der Landesherr Johann Gans zu Putlitz dort ein Zisterzienserinnen-Kloster. Nach der Reformation wurde es in ein evangelisches Damenstift umgewandelt. Mit der Bodenreform ab 1945 verlor es den gesamten Besitz und entwickelte sich zu einem Stift für ältere und pflegebedürftige Menschen. Um den mit Schiefer gedeckten Turm der Klosterkirche gruppieren sich einige mehr oder weniger restaurierte Gebäude, in denen einst die Stiftsdamen wohnten.

Niemand müsse auf Besitz verzichten oder ein Gelübde ablegen

Doch Gelübde ablegen oder auf seinen Besitz verzichten muss hier niemand. Die Mitglieder der Kommunität beziehen eigene Wohnungen auf dem Gelände, versorgen sich selbst, gehen - wenn sie noch berufstätig sind - ihrer Arbeit nach. Wichtig ist Pfarrer Kautz, dass die Mitglieder untereinander und mit den Menschen in der Umgebung Gemeinschaft pflegen. Dreimal täglich treffen sie sich zum Gebet in der Kirche, beten unter anderem für die Menschen in der Prignitz, die älteren und kranken Mitbürger oder die Jugendlichen.

Aber sie kümmern sich beispielsweise auch um die Bewohner des benachbarten Seniorenheims, wo es kürzlich einige Corona-Fälle gab. Da haben sie für die Menschen in Quarantäne vor dem Fenster gesungen und Kuchen vor die Haustür gestellt. "Es ist schon ein bisschen verrückt, in Corona-Zeiten eine Gemeinschaft zu gründen", räumt Pfarrer Kautz ein. Doch diese positive Verrücktheit gehöre wohl dazu - und Menschen, die die Gemeinschaft mit Leben füllen.

Mitglieder der Gemeinschaft

Zu ihnen gehört auch der 29-jährige Jonathan Feix, aufgewachsen in Baden-Württemberg. Ein Kulturschock sei der Umzug in den hohen Norden Brandenburgs aber nicht gewesen, erzählt der junge Mann. "Ich bin kulturell sehr flexibel", berichtet Jonathan, der schon zu Missionseinsätzen in Argentinien und Frankreich unterwegs war. Seit seinem sechsten Lebensjahr, so erzählt er, gehört er den christlichen Pfadfindern "Royal Rangers" an und hat nun den Auftrag, auch in Marienfließ eine solche Gruppe zu gründen. Darüber hinaus bringt er ganz praktische Expertise mit: Neben seiner Ausbildung zum Elektroniker ist er auch in Veranstaltungstechnik bewandert.

Neben der bald dazukommenden Familie hat auch eine Frau aus Dänemark Interesse, darf aber momentan wegen Corona nicht einreisen. Noch weitere Personen spielen mit dem Gedanken, sich der Kommunität anzuschließen, wie Pfarrer Kautz berichtet. Doch zunächst müssen viele der alten Gebäude dringend saniert werden, die meisten Wohnungen sind vermietet. Erst, wenn wieder eine frei wird, kann ein neues Mitglied nachrücken. Das Gelände gehört seit der Wende einer privaten Stiftung, doch Geld sei kaum vorhanden. Kautz hofft auf Fördermittel.

"Der Herzschlag zählt"

Der Pfarrer hat das Ziel klar vor Augen. "Hier wird keiner einem dogmatischen Examen unterzogen, sondern es zählt der Herzschlag", betont Kautz. Eine Gemeinschaft mit Ausstrahlung wünscht er sich. Menschen, die hier zu Besuch kommen, sollen den Heiligen Geist spüren - und auch Nichtgläubige sollen zumindest eine «Energie» vernehmen, die von diesem Ort ausgehen soll.


Quelle:
KNA
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