"Alt werden ohne alt zu werden - das ist die Lösung"

The Who-Gitarrist Pete Townshend wird 75

Zertrümmerte Instrumente, verwüstete Hotelzimmer und brachiale Akkorde: Pete Townshend, Gitarrist der britischen Band The Who, hat die Klischees des Rock'n'Roll geprägt - und gelebt. Nun feiert er seinen 75. Geburtstag.

Autor/in:
Paula Konersmann
Pete Townshend, Originalmitglied der britischen Band The Who, tritt im Fenway Park in Boston auf. / © Winslow Townson/Invision/AP (dpa)
Pete Townshend, Originalmitglied der britischen Band The Who, tritt im Fenway Park in Boston auf. / © Winslow Townson/Invision/AP ( dpa )

Wortspiele mit diesem Bandnamen bieten sich einfach an. "Who's Next" heißt ein frühes Album von The Who (1971), es folgten "Who Are You?" (1978), "Who's Last" (1984) - und im vergangenen Herbst dann schlicht "WHO". Letzteres ist streng genommen nicht von The Who, sondern ein Werk der letzten verbliebenen Bandmitglieder, Roger Daltrey und Pete Townshend. Ihre früheren Mitstreiter sind verstorben, und ohne sie sei die Band nicht denkbar. Sagt Townshend. Um kurz darauf mit der Aussage zu schockieren, "Gott sei Dank" seien beide nicht mehr dabei - und dann wieder zurückzurudern. Der Gitarrist bleibt ein Rock'n'Roll-Raubauz - auch mit bald 75 Jahren.

"Who I Am"

Geboren am 19. Mai 1945 in London, veröffentlichte der Musiker auch seine Autobiografie unter dem so naheliegenden wie einschlägigen Titel "Who I Am". Eine große Rolle spielt darin, wie Musik für ihn früh zur Flucht aus dem Alltag wurde. Townshends Eltern schoben ihn mit vier Jahren zu seiner psychotischen Großmutter ab; mit sieben missbrauchte ihn ein Liebhaber der Mutter. "Geborgenheit fand ich in einer Straßengang", berichtete Townshend kürzlich in einem Interview. "Als ich später The Who gründete, hatte ich wieder eine Gang."

Mit den Bandkollegen Daltrey und John Entwistle ging er zur Schule; ab 1964 waren sie mit Keith Moon unter dem Namen The Who unterwegs. Townshend war nicht nur Gitarrist der Band, sondern schrieb den Großteil ihrer Songs, darunter Meilensteine wie "My Generation", "Behind Blue Eyes" oder "Magic Bus". Den Synthesizer machten die Briten in der Rockmusik erst salonfähig; Stilmittel wie das exzessive Zertrümmern von Gitarren auf der Bühne rundeten ihr Image ab.

Höhepunkt in den 1960er Jahren

Ende der 60er Jahre erreichte die Popularität von The Who ihren Höhepunkt. Unter anderem spielten sie 1969 beim Woodstock-Festival, wo Townshend erst einen Aktivisten von der Bühne jagte, später einen Kameramann herunterkickte. Später erklärte er, er habe "jede Minute" der Veranstaltung gehasst. Sie habe mit Love and Peace "gar nichts zu tun" gehabt.

Das Festival inspirierte ihn indes zu einem weiteren Hit: "Baba O'Riley", eine Hommage an den indischen Guru Meher Baba, der Elemente des Buddhismus und der islamischen Mystik mit christlichen Konzepten verband, und den Komponisten Terry Riley, der als Pionier der "Minimal Music" gilt. Townshend erklärte einmal, der Song handle von der "totalen Trostlosigkeit" der Woodstock-Besucher. Ironie der Pop-Geschichte: Viele Hörer verstanden die Beschwörung von "teenage wasteland" im Refrain eher als Hymne auf jugendliche Unbeschwertheit.

Townshend glaubt an Gott

Religion blieb für Townshend, der Meher Baba verehrte, ein wichtiges Thema. Nach der Zeit mit The Who nahm er mehrere religiöse Alben auf. Mit Kollege Daltrey spreche er auch über Glaubensfragen, erklärte er kürzlich in der "Welt am Sonntag". Und weiter: "Ich glaube an Gott, Roger nicht. Das ist in unserem Alter ein gutes Fundament für sehr intensive Gespräche."

Erschüttert wurde der Musiker 2003, als seine Kreditkartennummer bei einer groß angelegten Razzia im Zusammenhang mit kinderpornografischem Material auftauchte. Die Operation stellte sich später als Fehlschlag heraus. Rückblickend sprach Townshend jedoch von einer "Hexenjagd" auf seine Person: "Für meine Frau und mich war diese Zeit die Hölle, auch weil die Presse groß darüber berichtete. Betraten wir ein Restaurant, standen Leute auf und gingen."

Zeit im Studio

In den Folgejahren machte er wieder mit Musik von sich reden. Und versuchte sich in anderen Ausdrucksformen: Im vergangenen Jahr erschien sein erster Roman. In seinem Alter wisse er, "dass ich noch einiges erledigen muss, bevor ich den Löffel abgebe", erklärte er. Allzu altersweise wolle er indes nicht werden, um anderen nicht auf die Nerven zu gehen: "Alt werden ohne alt zu werden - das ist die Lösung."

Eine ungewöhnliche Gabe hat der Musiker unterdessen bereits vor seinem Geburtstag erhalten: Im "Rolling Stone" bezeichnete er den Corona-bedingten Lockdown als "Geschenk". Er fühle sich, als sei ein Gebet erhört worden, das er nicht zu sprechen gewagt hätte: "Bitte sag alles ab und gib mir Zeit im Studio."


Quelle:
KNA