Nacht der Mystik im Rahmen der Kölner Dreikönigswallfahrt

"Gott ist nicht irgendwo"

Im Rahmen der Dreikönigswallfahrt findet im Kölner Dom an diesem Donnerstag die "Nacht der Mystik" statt. Bei Musik, Stille und vorgetragenen Texten sind die Teilnehmer dazu eingeladen, sich die Frage zu stellen: Wo ist Gott?

Weihrauch / © Katharina Ebel (KNA)
Weihrauch / © Katharina Ebel ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was bedeutet Mystik?

Wolfgang Dichans (Moderator bei der Nacht der Mystik im Kölner Dom): Mystik hat natürlich unterschiedliche Bedeutungen. Aber im Kern ist es immer wieder die Suche danach, was hinter den Dingen ist, was hinter der Oberfläche ist, was die Welt zusammenhält. Die einen sagen dazu Gott, die anderen Erleuchtung. Aber diese Suche nach der Einheit mit Gott, den letzten Dingen, der letzten Wirklichkeit - das ist das, was Mystik im Wesentlichen ausmacht.

DOMRADIO.DE: Es gibt verschiedene Aspekte in der Mystik, die vielleicht zu dieser Suche und zu dem Finden beitragen. Musik und Literatur spielen da zum Beispiel eine Rolle. Wie erlebt man Mystik?

Dichans: Auch das ist sehr unterschiedlich. Wir stellen das auch in der Nacht der Mystik dar. Das ist ja jetzt die zehnte Nacht der Mystik. Wir haben eine Nacht zum Thema "Mystik im Alltag" gehabt. Wo kann eigentlich jeder in seinem Alltag Gott entdecken? Das können sehr einfache Dinge sein, zum Beispiel, dass man plötzlich von einer Einsicht überfallen wird.

Wir haben in der nächsten Nacht einen Text von Eugène Ionesco, der ein solches Erlebnis als junger Mann schildert. Es kann einem genauso gut plötzlich klar werden, dass Gott in allem ist. Zum Beispiel, wenn man ein wunderbares Naturerlebnis hat, wie einen Sonnenaufgang. Auch Musik kann beitragen, dass man plötzlich völlig - wie wir Christen sagen - von Gott erfüllt wird.

DOMRADIO.DE: Was haben denn Mystiker mit den Heiligen Drei Königen gemeinsam?

Dichans: Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass es tatsächlich eine Gemeinsamkeit gibt. Denn die Heiligen Drei Könige waren ja Suchende. Die Weisen, wie es im Evangelium berichtet wird, sagen: "Wir suchen den König der Juden. Wir haben seinen Stern gesehen." Sie sind Suchende. Und das ist das, was sie mit Mystikern gemeinsam haben. Der Mystiker ist immer ein Suchender.

DOMRADIO.DE: Sie haben Texte ausgewählt, die Donnerstagnacht gelesen werden. Wie haben Sie diese Texte ausgewählt? Auch passend zum Thema Heilige Drei Könige?

Dichans: Direkt zum Thema Drei Heilige Könige gibt es keine mystischen Texte. Jedenfalls wären sie mir nicht bekannt. Aber der Ansatzpunkt ist, dass die Heiligen Drei Könige Suchende sind - obwohl sie ja auch keine Juden und schon gar keine Christen waren, die es zu der Zeit ja auch noch gar nicht gab.

Die Könige als Suchende sind sozusagen der Ansatzpunkt, weil sich letztlich in allen Religionen diese Suchenden finden. Sei es im Judentum, im Islam - insbesondere die Sufis dort - oder im Buddhismus, da sind es insbesondere die Zen-Buddhisten. All das sind Suchende. Und deshalb sind die Texte auch so ausgewählt, dass sie Suchende aus unterschiedlichen Bereichen, unterschiedlichen Religionen und unterschiedlichen Zeiten repräsentieren.

Wir haben Texte von Dschalāl ad-Dīn Rūmī, welche von Ramakrishna, von Martin Buber, aber natürlich auch christliche Texte und auch profane Texte. Ionesco hatte ich schon zitiert, aber wir haben auch Texte von Hermann Hesse und Hanns Dieter Hüsch.

DOMRADIO.DE: Warum ist Ihnen das so wichtig, dass es so viele Texte aus verschiedenen Religionen und Kulturen gibt?

Dichans: Es ist deshalb so wichtig, weil die Mystik so etwas wie ein Band zwischen den Religionen sein kann. Wir haben ja heute eine Zeit, in der eher die Gegensätze betont werden - insbesondere zwischen Judentum, Christentum und dem Islam. Aber im Kern handelt es sich um das gleiche. Auch, wenn die Bezeichnung für das Letzte und für Gott verschieden ist. Davon bin ich überzeugt.

DOMRADIO.DE: Die Suche nach dem Göttlichen verbindet also die Religionen und Kulturen?

Dichans: Wenn man sich die Aussagen der Mystiker unterschiedlicher Kulturen ansieht, sieht man, dass die sich zum Teil fast genau ähneln, wenn auch mit etwas unterschiedlichen Worten. Beispielsweise wird Meister Eckhart von den Zen-Buddhisten studiert. Die sind dann wiederum verblüfft, dass mehrere hundert Jahre vor ihnen jemand fast mit gleichen Worten das Gleiche gesagt hat wie das, was sie heute sagen.

DOMRADIO.DE: Nicht nur diese Texte werden im Kölner Dom eine Rolle spielen, sondern natürlich auch Musik. Und es wird auch Zeit für Stille geben. Warum ist das so wichtig?

Dichans: Fangen wir bei der Stille an. Egal welcher Mystiker: Alle sagen, man muss sich aus diesem Gewusel der Welt ein Stück herausziehen. Da gibt es ganz viele Texte, die das bezeugen. Letztlich stellt sich im Endeffekt die Frage: Wo ist Gott? Und Gott ist nicht irgendwo. Er ist zwar gleichzeitig in allem, aber wenn ich ihn suche, dann ist er vor allen Dingen in mir selbst.

Und zu mir komme ich nur durch Ruhe, durch Stille. Die Musik soll die Menschen wiederum in diese Stille, in sich selbst, hinein führen. Die Stille und die Musik sind keine Stücke, denen man wie bei üblicher Musik zuhören kann.

DOMRADIO.DE: Ist es vielleicht eine Begleitung aus dem lauten Alltag hin zur Stille?

Dichans: So ähnlich, ja. Es ist keine Meditationsmusik. Die regt mich zum Beispiel eher auf, weil ich finde, dass das eher so Friseurmusik ist. Aber wir haben Musik beispielsweise von Arvo Pärt. Eine ausgesprochen ruhige, meditative Musik, die aber nicht laut ist, sondern die versucht, den Menschen in sich selbst hinein zu führen.


Blick auf den Kölner Dom / © Boris Stroujko (shutterstock)
Blick auf den Kölner Dom / © Boris Stroujko ( shutterstock )
Quelle:
DR