Was es mit der Seligkeit auf sich hat

"Ein wunderbares Wort"

Am Sonntag wird in Limburg Pater Henkes seliggesprochen. Doch was bedeutet selig eigentlich und wo kommt das Wort in der Bibel vor? Fragen an Thomas Söding, Professor für das Neue Testament an der Ruhr-Universität in Bochum.

Transparent zur Seligsprechung von Richard Henkes / © Julia Steinbrecht (KNA)
Transparent zur Seligsprechung von Richard Henkes / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wenn ich selig bin, dann bin ich überglücklich, richtig?

Thomas Söding (Professor für das Neue Testament an der Ruhr-Universität in Bochum): Ja! Seligkeit ist ein wunderbares Wort. Die Seligkeit hat etwas zu tun mit Glück, aber nicht nur mit irdischem Glück, sondern mit himmlischen Glück. Wer überglücklich ist, der ist selig. Das ist eine Sprache, die auf Jesus zurückgeht und die eine enorme Hoffnung für die Zukunft und für die Gegenwart macht.

DOMRADIO.DE: In der Bibel gibt es ja Seligpreisungen, in denen Jesus sagt: "Selig seid ihr" oder "Selig sind die". Welche Rolle spielen diese Seligpreisungen?

Söding: Sie sind grundlegend. Mit den Seligpreisungen beginnt die Bergpredigt. Jesus schaut in der Bergpredigt auf die Menschen, denen es ganz besonders schlecht geht und die sich selber vielleicht im Verdacht haben oder von anderen verdächtigt worden sind, von Gott vergessen zu sein. Und Jesus dreht es genau um und sagt: "Nein. Gott schaut auf diese Menschen und deswegen dürfen sie in die Zukunft schauen. Die Verbindung zwischen Himmel und Erde wird gestiftet. Und wem das aufgeht, der ist selig."

DOMRADIO.DE: Paulus spricht seine Gemeindemitglieder mit "Heilige" und "Geheiligte" an. Wie ist das gemeint?

Söding: Das ist nicht nur beim Apostel Paulus so, aber es ist sehr typisch für den Apostel Paulus. Heiligkeit heißt immer: "Du gehörst zu Gott. Ihr gehört zu Gott." Und die Frage ist, wo sozusagen die Bodenstationen Gottes sind. Und das Ergebnis des Apostels Paulus lautet: Dort, wo der Glaube zuhause ist. Deswegen ist dieses Wort Heiligkeit bei Paulus nicht dafür geeignet, Unterschiede zwischen verschiedenen Gläubigen zu machen, sondern um die Gläubigen selbst hervorzuheben und ihnen zu sagen: "Ihr seid sozusagen der Vorposten Gottes auf der Welt."

DOMRADIO.DE: Im Gegensatz zu Heiligen werden Seliggesprochene ja nur regional verehrt. Wie ist das in der Bibel, wie werden da die Begriffe selig und heilig voneinander abgegrenzt?

Söding: Diese Differenzierung zwischen Seligsprechung als regional und Heiligsprechung als universal, ist ein Eigengut der katholischen Kirche. Das kann man in dieser Differenzierung nicht auf das Neue Testament zurückführen. Im Neuen Testament sind es einfach unterschiedliche Sprachspiele.

Heiligkeit, das hat immer sehr viel mit dem Kult zu tun, das Priesterliche spielt da eine Rolle. Priesterlich nicht im Sinne von Amtspriestertum, sondern im Sinne von Mitglied im Volk Gottes. Selig kommt sehr stark aus der Weisheit Israels heraus, aus der Prophetie Israels. Das sind einfach unterschiedliche spirituelle, theologische Quellen, mit denen mal auf der einen oder anderen Seite gesagt werden kann: "Ihr seid Menschen, die das Antlitz Gottes erstrahlen lassen."

Das Interview führte Tobias Fricke.


Prof. Dr. Thomas Söding / © RUB
Prof. Dr. Thomas Söding / © RUB
Quelle:
DR
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