Resilienz-Experte Wallert: Glaube kann in Krisen helfen

"Ich denke häufig an diese Zeit zurück."

Der im Jahr 2000 von der philippinischen Terrorgruppe Abu Sayyaf entführte Göttinger Marc Wallert ist überzeugt, dass Glaube und Gebet in Krisen helfen können. Er selbst bezeichne sich allerdings nicht als kirchennahen Christen.

Familie Wallert wieder vereint nach ihrer Geiselnahme (Archivbild) / © Malte  Kreutzfeldt (epd)
Familie Wallert wieder vereint nach ihrer Geiselnahme (Archivbild) / © Malte Kreutzfeldt ( epd )

"Ich bin ein spiritueller Mensch, der erfahren hat, dass der Glaube Menschen in Krisensituationen Kraft gibt", sagte Wallert dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Und ich glaube auch, dass uns die Gebete vieler Menschen damals geholfen haben. Dafür bin ich bis heute dankbar!"

Wallert (46) arbeitet heute als Erfahrungsexperte und Vortragsredner zum Thema Resilienz. Dabei leitet er Menschen dazu an, psychische Widerstandskraft zu entwickeln und schwierige Lebenssituationen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen.

Letzte Alpträume 19 Jahre her

Noch immer beschäftige er sich intensiv mit seiner 140 Tage dauernden Geiselhaft im philippinischen Urwald, sagte Wallert. Die letzten Alpträume seien zwar 19 Jahre her. "Aber ich denke häufig an diese Zeit zurück." Er habe die Erfahrung als Entführungsopfer sehr gut verarbeiten können. Dabei habe ihm auch geholfen, dass er noch in Gefangenschaft Tagebuch schreiben konnte.

Marc Wallert war gemeinsam mit seinen Eltern und anderen Touristen während eines Tauchurlaubs in Ostasien von islamistischen Terroristen gekidnappt worden. Damals war er 27 Jahre alt. Die Entführer ließen zunächst seine Mutter, dann seinen Vater und schließlich ihn selbst frei. In die Verhandlungen hatte sich neben dem deutschen Außenministerium auch der damalige libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi eingeschaltet. Es soll Lösegeld geflossen sein.

"Positives Denken kann auch tödlich sein"

Wallert betonte, er habe aus dieser Krisensituation viel lernen können: "Vor allem über mich selber. Aber auch darüber, wie Menschen mit Stress umgehen und was dabei hilfreich ist und was nicht, welche Schutzfaktoren Menschen helfen, stark durch Krisen zu kommen."

Akzeptanz und Optimismus spielten dabei eine wichtige Rolle. "Aber positives Denken kann auch tödlich sein", sagte Wallert. "Nämlich dann, wenn man vor lauter Optimismus die reellen Risiken ausblendet."

Keinen Hass auf die Täter gehabt

Humor helfe, eine Krise zu überstehen, betonte Wallert. "Und einen kühlen Kopf zu bewahren." Hass auf die Täter habe er damals wie heute nicht empfunden. "Terroristen sind nicht alle auf die gleiche Weise von Hass und Gewalt geprägt." Die Terrorgruppe Abu Sayyaf habe sich aus sehr verschiedenen Charakteren zusammengesetzt.

Wallert ist am Dienstag an der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg zu Gast bei der Tagung "Grenzenlose Gewalt. Ursachen und Folgen des internationalen Terrorismus", die von Montag bis Mittwoch läuft. Vor Schülerinnen und Schülern spricht er dort über das Thema "Überleben und weiterleben".


Quelle:
epd