Warum der Apostel Petrus für die Zölibats-Frage herangezogen wird

Der verheiratete Missionar

Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf schreibt in seinem Buch, der Zölibat lasse sich biblisch nicht begründen. Als Beispiel führt er den Apostel Petrus heran. Warum diese Geschichte so wichtig ist, erklärt der Neutestlamentler Thomas Söding.

Statue des Apostels Petrus vor dem Petersdom / © Zebra 0209 (shutterstock)
Statue des Apostels Petrus vor dem Petersdom / © Zebra 0209 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Kapitel in Wolf’s Buch heißt "Schwiegermutter des Petrus". Was hat es denn nun mit der "Schwiegermutter des Petrus" auf sich?

Prof. Thomas Söding (Professor für das Neue Testament an der Ruhr-Universität in Bochum): Das ist eine wunderbare Geschichte, die ganz im Verborgenen spielt. Sie zeigt, wie sehr Jesus auch am Familienleben seiner Jünger teilgenommen hat. Petrus ist verheiratet gewesen. Er hatte eine Schwiegermutter, die krank gewesen ist. Jesus hat sie geheilt.

Aber es geht noch weiter. Wie wir aus den Briefen des Apostels Paulus wissen, hat Petrus seine Frau mit auf Reisen genommen. Man redet immer so viel davon, wie der Fischer vom See Genezareth zum Weltbürger geworden ist. Aber man muss auch über seine Frau sprechen, von der wir leider aus dem Neuen Testament sonst nichts wissen.

DOMRADIO.DE: Petrus hatte eine Schwiegermutter und war demnach verheiratet - allerdings wohl schon vor seiner Berufung. Warum erfahren wir nichts über seine Frau und seine Kinder - auch bei den anderen Aposteln nicht?

Söding: Das hängt mit der starken Männlichkeit zusammen, die für diese Kultur der Zeit wesentlich und wichtig gewesen ist. Umso wichtiger sind dann natürlich auch die Ausnahmen von der Regel. Dabei wird zum Beispiel deutlich, dass der Apostel Paulus zwar von sich selbst sagt, er würde ehelos leben, aber darauf verweist, dass alle anderen Apostel das nicht machen.

Das wäre ja auch noch schöner, wenn die Berufung in die Nachfolge so eine Art Scheidungswelle ausgelöst hätte. Nein, das Gegenteil ist richtig. Jesus hat die Ehe erneuert. Das soll auch in den kirchlichen Führungsfiguren der Anfangszeit zum Ausdruck kommen.

DOMRADIO.DE: Jesus verlangt für seine Nachfolger an einigen Stellen, Frauen und Kinder zu verlassen. Kann man das als eine Art Forderung nach einem Single-Dasein verstehen?

Söding: Das wäre genau die falsche Interpretation. Erstens: Man darf das nicht romantisieren, bitte! Die Missions-Bewegung ist immer so pulsierend. Man zieht aus. Man geht los und zeigt auch, dass man auf sehr vieles verzichten kann. Dazu zählt auch, dass man für eine gewisse Zeit auf Frau und Kinder verzichten kann.

Aber man kommt im Neuen Testament auch immer wieder zurück. Denn es geht darum, nicht irgendwo aus der Welt auszuziehen. Sondern es geht darum, die Welt selbst zu verändern. Und so sagt Jesus auch in einem Wort, dass das, was man verlassen hat - dazu gehören auch Kinder oder die Frau - hundertfältig empfängt. Er hat dabei nicht an ein Harem gedacht, sondern an im Glauben erneuerte Familie.

DOMRADIO.DE: Über den Zölibat in der katholischen Kirche wird zurzeit viel diskutiert. Die meisten würden ihn gerne abschaffen. Wie schauen Sie auf die gegenwärtige Debatte als Neutestamentler und als katholischer Familienvater?

Söding: Mit einer gewissen Freude, weil ich gut finde, dass das Thema nicht tabuisiert wird. Der Kollege Wolf hat das vollkommen zu Recht beschrieben. Im Neuen Testament ist es sogar ein Kriterium, dass nur Bischof werden darf, wer sich zunächst einmal in seinem eigenen Haus bewährt hat. Und das heißt: Er sollte verheiratet sein und seine Kinder richtig erzogen haben. Das ist manchmal eine schwierige Geschichte. Aber das zeigt ein bestimmtes Image. Wir wollen Menschen haben, die engagiert sind. Wir wollen Menschen haben, die in der Gesellschaft bewährt sind. Und da ist der jeweilige gesellschaftliche Kontext sehr wichtig. Es gibt Ehelosigkeit. Die Ehelosigkeit ist freiwillig. Das ist auch ein wichtiges Zeichen. Zwangsehen gibt es im Christentum nicht.

DOMRADIO.DE: In welche Richtung, hoffen Sie, wird die Diskussion weiterlaufen?

Söding: Ich finde es wichtig, dass wir uns weltkirchlich weiter umsehen. Wir sehen, dass in der Orthodoxie zum Beispiel verheiratete Priester akzeptiert sind. Wir haben auch sogenannte unierte Kirchen, die mit der römisch-katholischen Kirche verbunden sind. In der gibt es verheiratete Priester. In unserer Gemeinde ist zum Beispiel ein solcher Priester, der arbeitet. Das ist wichtig.

Auf der anderen Seite müssen wir aber auch sehen, dass der Zölibat der Welt-Priester ein Erbe ist, das in der Vergangenheit immer mit einer Reform der Kirche verbunden gewesen ist - so unterschiedlich die Begründungen auch jeweils gewesen sind. Worum es jetzt geht, ist, glaube ich, dass wir Familienleben und Dienst für die Kirche ohne irgendeine spirituelle Überforderung wieder besser in ein Verhältnis bringen können. Da hoffe ich, dass zum Beispiel der synodale Weg auch dieses heiße Eisen anpackt.

Das Interview führte Dagmar Peters


Prof. Dr. Thomas Söding / © Harald Oppitz (KNA)
Prof. Dr. Thomas Söding / © Harald Oppitz ( KNA )

Priester / © Lunamarina (shutterstock)
Quelle:
DR
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